Personal am Landgericht Halle Personal am Landgericht Halle: Zu wenige und zu wenige Junge

Halle (Saale) - Kurz vor Weihnachten schlägt Markus Niester, Vorsitzender des Landesrichterbundes, Alarm: Landesweit mangele es den Gerichten an Wachtmeistern, stellenweise auch an Richtern, was zu Sicherheitslücken und Problemen im Betriebsablauf führe. Niester schätzt, dass landesweit 30 Wachtmeister und 70 Beschäftigte im mittleren Dienst fehlen, die sich um Schreibarbeiten und die Aktenführung kümmern. Das Landgericht Magdeburg erklärte etwa wegen der fehlenden Wachtmeister nur noch bis 15.30 Uhr verhandeln zu können. Außerdem würden dort 4,5 Richterstellen fehlen.
Personalmangel besteht auch am Landgericht Halle. Derzeit würden vier Mitarbeiter im mittleren Dienst, drei Wachtmeister und 6,5 Richter fehlen. „Da sind wir den Magdeburgern sogar voraus“, sagt Jörg Engelhard. Dennoch mag der Präsident des Landgerichts Halle nicht in den Alarmmodus schalten und scheut harte Kritik am Justizministerium. Das habe in Laufe des Jahres schon zusätzliche Richter nach Halle geholt. Was gar nicht so einfach sei, denn nach ihrem Probedienst können Richter außer für kurze Abordnungen nicht gegen ihren Willen versetzt werden.
Geschäftsbetrieb am Landgericht wird aufrechterhalten
Engelhard betont, dass trotz der fehlenden Stellen – im zweiten Quartal waren es sogar acht – der Geschäftsbetrieb am Landgericht aufrechterhalten wird. Sowohl Straf- als auch Zivilverfahren seien im gesetzlichen Zeitrahmen verhandelt worden: „Wir mussten auch keine Haftbefehle aufheben, weil Fristen verstrichen sind.“ Dennoch bleibe der Richtermangel nicht ohne Folgen: „Die Kollegen gehen hier mit Rändern unter den Augen raus. Aktenarbeit findet auch am Wochenende statt. Auf Dauer wird das gesundheitlich nicht leistbar sein.“
Und doch tut sich Engelhard schwer damit, sofort sechs neue Kollegen zu fordern: „Wir wissen nicht, wie sich unser Bedarf entwickelt.“ Abhängig ist der von der Anzahl und der Art der eingehenden Fälle. Nach dem Pebb§y-System wird daraus ein Minutenbedarf errechnet. Für einen Strafprozess werden 6.049 Minuten veranschlagt. Diese Zahl basiert auf Durchschnittswerten und wurde erst zum Jahreswechsel aufgrund neuer Untersuchungen um knapp 1.400 Minuten erhöht.
Schwankungen bei den einkommenden Straffällen
Damit stieg auch der rechnerische Richterbedarf. Was die Planung zudem erschwere, seien die Schwankungen bei den einkommenden Straffällen, erklärt Engelhard. „Dieses Jahr war die Staatsanwaltschaft sehr erfolgreich. Wir hatten im ersten Halbjahr viele Eingänge bei Wirtschafts- und organisierter Kriminalität sowie Betäubungsmittelfällen.“
Das Justizministerium geht davon aus, dass im kommenden Jahr eine Entspannung am Landgericht eintreten wird. Es werde 2017 im richterlichen Dienst voraussichtlich bedarfsgerecht ausgestattet sein, prognostiziert Ministeriumssprecher Detlef Thiel. Neueinstellungen seien nicht geplant, wohl aber sollen vermehrt Richter auf Probe zu Richtern auf Lebenszeit am Landgericht erklärt werden.
Pool aus 32 Wachtmeistern
Beim Amtsgericht Halle geht die Pebb§y-Rechnung derzeit hingegen auch ohne zusätzliche Juristen auf. Auch bei den Wachtmeistern hat das Gericht keine Probleme. „Wir profitieren hier von der Zentralisierung“, erklärt Sprecher Thomas Puls. Das Amtsgericht sitzt wie Staatsanwaltschaft, Sozial-, Verwaltung- und Arbeitsgericht in der Thüringer Straße. „Es gibt hier einen Pool aus 32 Wachtmeistern.“ Auf einen solchen Pool kann das Landgericht nicht zurückgreifen. Deshalb müssten dort regelmäßig Wachtmeister der Amtsgerichte bei Verfahren mit mehreren in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten oder Zeugen einspringen, berichtet Engelhard.
Im November mussten bei den 566 Verhandlungen insgesamt 101 inhaftierte Personen in die Säle und wieder zurückgebracht werden. Die geliehenen Wachtmeister fehlten dann natürlich an anderen Gerichten, sagt der Gerichtspräsident und lobt zugleich den Einsatz seiner vorhandenen 27 Sicherheitskräfte, die teils Urlaube verschoben hätten, um Engpässe abzufangen. Zudem sei anzuerkennen, dass das Land hier kontinuierlich junge Kräfte ausbilde und einstelle.
50 Prozent der Kollegen zwischen 50 und 59 Jahre alt
Sorgenfrei ist Engelhard dennoch nicht. Unbehagen bereitet dem Gerichtspräsidenten der Blick auf die Altersstruktur seiner Richter, die er mit „besorgniserregend“ beschreibt. Derzeit seien 50 Prozent der Kollegen zwischen 50 und 59 Jahre alt, 2020 werde der Anteil dieser Altersgruppe bereits bei 75 Prozent liegen. Zwölf Richter dürften bis dahin am Landgericht aus dem Dienst geschieden sein. Dies liege vor allem daran, dass nach 1990 zahlreiche junge Kollegen eingestellt wurden. Engelhard fordert deshalb kontinuierliche Neueinstellungen. Ohne die sei eine gesunde Altersstruktur nicht zu gewährleisten.
Das Problem kennt man auch im Justizministerium, allerdings sieht Sprecher Thiel nur eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten. Neueinstellung müssten sich stets im Bedarfskontext bewegen, deshalb sei „eine laufende Verjüngung des Personalkörpers erst zeitnah mit dem Ausscheiden der Ruheständler – wenn überhaupt – möglich.“ (mz)