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Otto opfert für Anna seine Fußballschuhe

Von Michael Deutsch 29.11.2006, 20:33

Halle/MZ. - Erst als die Kaffeerunde komplett ist, wird es ruhiger. Und Otto Wilde, der wie seine Anna 86 Jahre alt ist, erinnert sich an die erste Romanze vor 67 Jahren. Als Schlosserlehrling im Waggonbau Ammendorf lernte er die angehende Kontoristin auf einer Betriebs-Weihnachtsfeier kennen. Allerdings nicht sofort. "Erst als die Kapelle den letzten Tanz spielte, traute ich mich", gibt der Senior zu. "Ich schnappte mir Anna, und wir tanzten einen ordentlichen Schieber", lacht er spitzbübisch.

Nach ihrer Hochzeit, 1941, kamen schwere Zeiten auf das junge Ehepaar zu. Noch im gleichen Jahr wurde Otto Wilde, der leidenschaftlich Fußball in der Kreisliga spielte, an die Front gerufen. Otto wurde nach Russland geschickt, 1945 geriet er in Kriegsgefangenschaft.

" Ich musste fortan zwei Jahre als Traktorist in einer Kolchose arbeiten." Briefe, die er damals an seine Liebste schrieb, kamen nicht an. "Sie wurden nie abgeschickt, ich sah die Post kurz vor meiner Freilassung in einem Kolchose-Haus herumliegen", ist Wilde noch immer wütend. Die Ungewissheit über sein Schicksal habe seiner Frau fast das Herz zerrissen. Erst 1947 habe sie eine Postkarte vom Deutschen Roten Kreuz mit der befreienden Nachricht erhalten. "Wir haben alle aus der Familie geheult", sagt die 86-Jährige und hält die Hand ihres Mannes.

Der berichtet gleich weiter. "Nach der Rückkehr habe ich meine Fußballschuhe verbrannt." Als Symbolik. Vorbei sollten die Zeiten sein, in denen er zum Kicken ständig von daheim weg war. "Ich wollte nur noch für Anna da sein. Welche junge Frau würde heute noch so lange warten?", fragt Otto Wilde, der 51 Jahre hart als Schlosser arbeitete, in die Runde.

Großes Glück bahnte sich 1951 mit der Geburt von Tochter Sabine an. Ihr Sohn Dirk, 29 Jahre, und dessen Sohn Fabian, sieben Jahre, haben aus dem eisernen Hochzeitspaar stolze Groß- und Urgroßeltern gemacht. "Die Familie ist für uns das Allerwichtigste", sagt Otto Wilde und wird schnell sehr sehr traurig. Sein Schwiegersohn sei schwer erkrankt, und er hoffe sehnsüchtig auf eine Heilung.