NS-Verbrechen NS-Verbrechen: Hallenser steht auf Liste der KZ-Aufseher

Halle (Saale)/MZ - Eine Liste aus den 70er Jahren ist die Grundlage für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle gegen einen 90-Jährigen. Er soll Aufseher im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gewesen sein, Beihilfe zum Mord wird ihm vorgeworfen. Angestoßen worden sind die Ermittlungen von der Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen. Der 90-Jährige hat später als Professor an der Medizinischen Fakultät der Uni Halle gearbeitet und hat eine Adresse in der Saalestadt.
Die Zentralstelle hat jene Liste aus den 70er Jahren, in der alle KZ-Aufseher von Auschwitz-Birkenau verzeichnet sind, aktualisiert, sagte Kurt Schrimm, Oberstaatsanwalt und Leiter der Behörde. Die Liste war im hessischen Landeskriminalamt zusammengestellt worden.
Ermittlungen eingeleitet
Resultat der Aktualisierung war im Frühjahr dieses Jahres ein Verzeichnis von rund 50 Personen, gegen die Ermittlungen eingeleitet wurden. Die mündeten in 30 Verfahren, die Ende November von der Ludwigsburger Behörde an Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland übergeben worden sind.
Schwerpunkte lagen nach Angaben von Schrimm in Süddeutschland. Der nach Ludwigsburg gereiste hallesche Staatsanwalt übernahm am 28. November Akten zu zwei Fällen. Neben dem 90-jährigen Hallenser ging es um eine 94-Jährige aus Weißenfels (Burgenlandkreis), die inzwischen gestorben ist. Sie soll als Aufseherin in Auschwitz Hunde auf Gefangene gehetzt haben und bereits 1951 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden sein.
Grundlage für die neuen Ermittlungen ist eine Änderung der Rechtsprechung im Zuge des Demjanjuk-Verfahrens. Aufseher von Auschwitz können danach bereits wegen Beihilfe zum Mord angeklagt werden, wenn nachgewiesen ist, dass sie zum Wachpersonal gehörten. Das wird auch dem Hallenser vorgeworfen. Er soll als SS-Rottenführer dort gewesen sein. Jedoch seien weitere Ermittlungen erforderlich, sagte der hallesche Staatsanwalt Klaus Wiechmann. Wie lange das dauere, sei offen.
Der Rektor der Uni Halle, Udo Sträter, sagte, er habe erst durch Medienberichte von den Vorwürfen gegen den einstigen Uni-Professor erfahren und kenne den Mann nicht persönlich. Der mutmaßliche KZ-Aufseher war bereits Ende der 80er Jahre emeritiert worden.
Unterlagen im Archiv
Der Leiter des Uni-Archivs, Michael Ruprecht, bestätigte, dass es von dem 90-Jährigen eine Akte im Archiv gibt. „Wenn er hier Professor war, gibt es auch eine Akte“, sagte Ruprecht. Allerdings schränke das Archivrecht die Einsicht in die Unterlagen ein. So sei dies nur per Gerichtsbeschluss möglich oder wenn die betreffende Person zustimme. Ob sich die Staatsanwaltschaft bereits an das Archiv gewandt hat, wollte Ruprecht weder bestätigen noch dementieren.
Ermittler Schrimm hält es indes für möglich, dass sich die Zahl der Verfahren, die auf die Liste der Auschwitz-Aufseher zurückgehen, noch steigen wird. „Es muss nicht bei den bisherigen 30 Verfahren bleiben.“ Klären werde sich das innerhalb des kommenden Jahres.