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Nichts mehr verstecken

Von juliane gringer 08.05.2012, 08:17

halle/MZ. - Der 26-jährige David Eichelmann aus Halle hat es auch lange so gehandhabt, aber jetzt ist Schluss mit halben Sachen: Er hat schon Brust, Bauch, den kompletten rechten Arm - und jetzt auch die Hand tätowieren lassen. "Ich habe mich vor kurzem selbstständig gemacht", erzählt David, der mit einem Freund das Grafikprojekt "Pathfinder Design" leitet. "Erst dann habe ich es mich auch getraut. Aber ich hätte es viel früher machen sollen."

Am Anfang ein Stern

Schon mit 14 Jahren wollte David unbedingt ein Tattoo haben. Mit 19 war es dann soweit: Ein Stern mit Flammen, etwa zehn Zentimeter groß, wurde auf seinen rechten Arm gestochen. "Das Motiv habe ich damals selbst gezeichnet und relativ spontan entschieden, dass es mein erstes Tattoo werden soll." Bis heute sind aus dem Stern ein Traumschloss und ein Phönix gewachsen, der ganze Arm ist mit den Zeichnungen bedeckt. Dass Tattoos eine Entscheidung fürs Leben sind, schreckt viele Leute davon ab. Für David ist es das beste Argument dafür. "Es wird einmal gemacht und dann ist es für immer - eine beständige Sache, die so viele Möglichkeiten bietet. Das fasziniert mich", so der Kreative. Je mehr Tattoos er hat, desto mehr wird das weitere Tätowieren zu einem "Drumherumgebastle": bestehende Bilder werden erweitert oder ergänzt. Er würde dabei aber niemals etwas überstechen oder sogar entfernen lassen. Die Tattoos sind für ihn Kunst, sein Körper eine Leinwand. Inzwischen hat er an die 70, 80 Stunden unter der Nadel gelegen.

Wenn er ein neues Projekt in Angriff nimmt, dann sammelt David Ideen, zeichnet sie auf, und gibt sie dem Tätowierer, spricht mit ihm darüber. Der entwickelt die Skizzen weiter. "Und er feilt auch noch bis zur ersten Sitzung an dem Entwurf." Das heißt: Wenn David zum ersten Termin kommt, kennt er die endgültige Fassung in der Regel noch nicht. "Aber da gibt es dann keine Diskussion mehr", so David. "Ich vertraue ihm. Und er soll mir auch mit seinem eigenen Stil einen Stempel aufdrücken. Sonst könnte ich das alles auch selbst auf Papier zeichnen und an die Wand hängen. " David hat seinen Nadelprofi lange gesucht und dann in einem "kreativen Chaoten" gefunden, der selber "hoch von den Ohren bis runter zu den Fußnägeln" voller gestochener Bilder ist. "Er hat einen eigenen Stil und ist sehr kreativ, das gefällt mir."

Anker, Schriftzug und Eule

Vor einem Vierteljahr hat sich David zum ersten Mal an seine Hände "vorgewagt": Er ließ sich zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand einen kleinen Anker stechen. Nun entschied er sich dafür, endgültig mit dem Versteckspiel aufzuhören und seine rechte Hand bekam eine Eule spendiert sowie die Buchstaben "CMYK" auf den Fingern, die für die Grundbestandteile des Vierfarbdrucks steht. "Ich finde es schade, wenn so viele Leute ihre Tattoos verstecken", sagt David.

Verstehen kann er es trotzdem. Während er privat bisher nur positive Resonanz bekommen hat, hat er im Berufsleben auch schon negative Erfahrungen damit gemacht: "Ich habe mal in einer Firma gearbeitet, da haben sie schon komisch geguckt, als ich zum ersten Mal die Ärmel hochgekrempelt habe", erinnert er sich. "Wir haben uns dann so geeinigt, dass ich immer, wenn ich mit Kunden zu tun hatte, die Tattoos versteckt habe. Es war okay, aber ich fand es schon blöd. Diese Werke sind schließlich ein Teil von mir." Für ihn ist es auch eine Frage von Authentizität: "Ich will mich einfach nicht verstecken, sondern meine Kreativität ausleben. Diese ganzen Tattoos - das bin ich."

Als Chef seiner eigenen Firma sei er nun sein eigener Herr und könne selbst entscheiden, wie er sich seinen Kunden gegenüber zeigt. "Das fühlt sich gut an." Ihm ist gleichzeitig bewusst, dass man sich mit einem für alle gut sichtbaren Tattoo beruflich einiges verbauen kann. "Jeder muss das für sich entscheiden. Leider gibt es eben noch viele Vorurteile."

Habt ihr solche Vorurteile gegenüber Tattoos? Seid ihr selbst tätowiert? Findet ihr, dass man Tattoos überall zeigen darf? Oder sind sie im Job nach wie vor unangebracht? Diskutiert mit unter: www.mz-web.de/tattoo