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Neuer Betreiber für Waisenhausbuchhandlung Neuer Betreiber für Waisenhausbuchhandlung: Geht 321-jährige Tradition zu Ende?

Von Tanja Goldbecher 05.10.2019, 11:00
Edmund Baron und Ines Wettin geben das Geschäft nach 28 Jahren nur schweren Herzens auf.
Edmund Baron und Ines Wettin geben das Geschäft nach 28 Jahren nur schweren Herzens auf. Silvio Kison

Halle (Saale) - Ines Wettin fällt es schwer, in diesen Tagen hinter der Theke der Waisenhausbuchhandlung zu stehen. Die 61-jährige Buchhändlerin muss sich von ihren langjährigen Kunden verabschieden. Ihr Arbeitsvertrag wurde zu Ende Februar gekündigt. „Nach all den Jahren ist der Abschied wirklich sehr schmerzhaft“, sagt Wettin. Sie war seit 1990 in dem kleinen Eckgeschäft angestellt. „Für mich fühlt es sich so an, als ob jemand mein Lebenswerk zerstört“, sagt sie.

Sie wurde entlassen, da der Betreiber der Buchhandlung wechselt. Die Franckeschen Stiftungen, denen das historische Gebäude am Franckeplatz 5 gehört, haben den Mietvertrag des bisherigen Betreibers Edmund Baron gekündigt. Für den langjährigen Buchhändler kam die Kündigung der Geschäftsräume völlig überraschend: „Ich weiß nicht, was wir falsch gemacht haben.“ Der 68-Jährige fühlte sich danach dazu gezwungen, seine einzige Mitarbeiterin zu entlassen.

Nachfolger gewünscht

„Ich bedauere es sehr, dass wir keine andere Lösung gefunden haben“, sagt Baron. Er hätte sich gewünscht, im kommenden Jahr selbst einen Nachfolger für die traditionsreiche Buchhandlung zu finden, der auch das Sortiment des Ladens übernimmt. „Mir wurde nur mitgeteilt, dass es einen neuen Betreiber gibt. Gemeldet hat sich dieser aber nicht bei mir“, fügt Baron hinzu. Er bedauere diesen harten Bruch mit der Stiftungen sehr. Schließlich habe er seit der Geschäftsübernahme im Jahr 1991 alles dafür getan, die 321-jährige Geschichte des Ladens lebendig zu halten.

Ohne Nachfolger steht nun sogar der Name der Buchhandlung auf dem Spiel. Baron hatte bei seiner Übernahme auch die Namensrechte von der Treuhand gekauft. Ein neuer Buchhandel in dem Eckhaus dürfte also weder „Waisenhausbuchhandlung“ noch „Buchhandlung des Waisenhauses“ heißen. Der Sortimentsbuchhandel würde zwar an einem historischen Standort fortbestehen, zählte aber nicht mehr zu den ältesten Buchhandlungen Deutschlands.

Keine gemeinsame Lösung

Warum wurde nicht im Einklang mit Baron ein Nachfolger vereinbart, sondern ein Betreiberwechsel initiiert? Der Direktor der Franckeschen Stiftungen, Thomas Müller-Bahlke, sieht darin keinen Unterschied: „Unser Hauptinteresse besteht darin, dass die Buchhandlung an diesem Ort weitergeführt wird.“ Trotz der aktuell schwierigen Zeiten, in denen sich der Buchhandel befinde, sei es gelungen, einen engagierten Buchhändler aus Halle als neuen Betreiber zu gewinnen. Baron habe nie gesagt, dass er sich um einen eigenen Nachfolger bemüht.

Die Franckeschen Stiftungen hätten Edmund Baron stets unterstützt. Als das denkmalgeschützte Gebäude von 2008 bis 2012 saniert wurde, konnte der Buchhandel auf Räume in den Stiftungen ausweichen. Dass einer Mitarbeiterin gekündigt wurde, hat laut Müller-Bahlke nichts mit den Franckeschen Stiftungen zu tun, sondern liege in der Verantwortung des Betreibers. „Ich hoffe, dass sich der neue Betreiber und Herr Baron miteinander verständigen werden, wie die Übergabe organisiert werden kann“, sagt der Stiftungsdirektor. Ihm seien diesbezüglich bis jetzt keine Probleme bekannt gewesen. „Es wäre bitter, wenn der Name der Buchhandlung geändert werden müsste“, so der Direktor. Das könne jedoch nicht im Interesse des aktuellen Betreibers sein. Auch in diesem Fall hofft er auf eine Einigung. (mz)