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Natur in Halle Natur in Halle: Die Vogelwelt in Neustadt

Von Felix Knothe 16.05.2014, 19:54
Egon Fuchs ist fast täglich unterwegs in Halle-Neustadt und beobachtet Vögel. In Scheibe A etwa befindet sich Halles größte Dohlenkolonie.
Egon Fuchs ist fast täglich unterwegs in Halle-Neustadt und beobachtet Vögel. In Scheibe A etwa befindet sich Halles größte Dohlenkolonie. Jens Schlüter Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Natürlich erobert sich die Natur auch eine 50 Jahre alte Stadt, wenn man sie lässt. An den Hochhausscheiben lässt man sie seit über zwanzig Jahren. „Das hier ist die City Halle-Neustadts“, sagt Egon Fuchs. Fuchs ist Neustädter seit 1967 und Mitglied im ornithologischen Verein Halle. Wenn er City sagt, dann schwingt da noch ein bisschen altes Neustadt mit, als im Zentrum das Leben der jungen Stadt pulsierte. Was heute hier lebt, sind vor allem Vögel.

Stadttauben natürlich, aber auch Turmfalken, Mauersegler oder der Hausrotschwanz. „Die Städte sind heute die Schwerpunkte für die Vielfalt der Arten. Auf dem Land sind viele Lebensräume verloren gegangen“, sagt Fuchs. Der Lebensraum von Scheibe A, für Vögel einfach nur ein großer Felsen, ist an diesem kühlen Morgen der Treffpunkt für einen vogelkundlichen Rundgang durch Halle-Neustadt. Fuchs führt ein paar Burg-Studenten durch sein Viertel. Früher war er Agrar-Professor an der Uni Halle. Den Professor merkt man dem 75-Jährigen heute noch an. Bevor die Führung beginnt, sucht er sich zuerst Hiwis: Gebraucht wird ein „Vorlesungsassistent“, der die Hoheit über das Bestimmungsbuch hat, ein Protokollant, der Strichliste über die Vögel führt, die wir auf diesem Streifzug sehen oder hören werden, ein Träger für das auf einem Stativ montierte Fernrohr und ein „Tontechniker“, der Fuchs’ Audio-Stift bedient, mit dem man Vogellaute abspielen kann.

"Sehen Sie einen Spatz?"

An Scheibe A lenkt Fuchs die Aufmerksamkeit weg von den vielen Tauben: „In den Scheiben brüten auch zehn bis zwölf Dohlenpaare, die größte Kolonie in Halle.“ Und schon ertönt ein TjakTjak - erst aus dem Tonstift und dann aus der achten Hochhausetage. „Vermissen Sie einen Vogel?“, fragt Fuchs danach. Erst mal nicht, rund 25 Tauben schwärmen über den Boden, Rotschwanz und Blaumeise singen aus den Bäumen am Nasreddin-Brunnen, ein Graureiher im Überflug - eigentlich ist alles da, was man sich hier wünschen könnte. „Sehen Sie einen Spatz?“ Tatsächlich pfeift hier keiner von den Dächern. „Sie sind weltweit auf dem Rückzug aus den Citys“, weiß Fuchs. Warum genau, weiß er nicht. „Es gibt unterschiedliche Theorien. Doch 300 Meter weiter werden wir ihn finden.“ Also durch die Passage und die Unterführung am Jobcenter, dahinter lächelt Fuchs: „Wie ich gesagt habe, hier tschilpt der erste Spatz.“

Am russischen Spezialitätenladen an der Magistrale bleibt Fuchs wieder stehen. Aus einem Busch kommt ein Schwätzen und Flöten. „Die Nachtigall des Nordens, eine Mönchsgrasmücke.“ Ihr Bestand nimmt zu, wie überhaupt der Artenreichtum im Vergleich eher zunehme. Rund 80 Vogelarten brüten in Neustadt, von etwa 280 Arten in Deutschland „Neustadt ist also ganz gut dabei“, sagt Fuchs. Die Tour geht durch das Neustädter Grün, auch durch die Höfe.

"Er holt sich, was er kriegen kann"

Das Nest einer Türkentaube hat eine Elster geräubert. Am Treff, über dem Studentenwohnheim, kreisen ein Roter und ein Schwarzer Milan. Eine Rabenkrähe attackiert den Schwarzen, wohl weil er ihrem Nest zu nahe kommt. „Der Schwarzmilan brütet dieses Jahr zum ersten Mal hier“, sagt Fuchs. Der Horst liegt auf einem Strommast in den Passendorfer Wiesen. Von hier aus kreist der Greifer über Neustadt. „Er holt sich, was er kriegen kann, auch mal den Braten vom Balkon“, sagt Fuchs. Von einer Brücke über die B80, am Endpunkt der Tour, kann man mit Fuchs’ Fernrohr gut sehen, dass schon Junge im Nest sind.

Dort angelangt, haben wir viel gehört. Über die Buchfinken in der Kastanienallee oder die Stockenten, Schwäne, Spechte und Nachtigallen vom Südpark. Wir haben versucht, mit Tönen einen Zaunkönig anzulocken, haben ihn gehört, aber nicht gesehen. Besser hat es bei einem Kleiber im Südpark geklappt: Plötzlich saß er über uns und sang zurück. Die Natur lebt in Neustadt, Halles grünem Biotop. Nicht nur, aber natürlich auch, weil verfallende Hochhäuser, wie die Scheiben so gute Nistplätze sind.

Auf einem Strommast in den Passendorfer Wiesen nistet Neustadts erstes Paar Schwarzer Milane.
Auf einem Strommast in den Passendorfer Wiesen nistet Neustadts erstes Paar Schwarzer Milane.
Jens Schlüter Lizenz