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Nach Auszug der Roma Nach Auszug der Roma: So wagt Vermieter der Schlosserstraße einen Neuanfang

Von Oliver Müller-Lorey 31.08.2019, 08:00
Nachdem die Roma ausgezogen sind, wurden die Wohnungen in der Schlosserstraße entrümpelt. Der Sperrmüll soll bald abgeholt werden.
Nachdem die Roma ausgezogen sind, wurden die Wohnungen in der Schlosserstraße entrümpelt. Der Sperrmüll soll bald abgeholt werden. silvio kison

Halle (Saale) - Günther Cerveny steht vor einem Haufen Sperrmüll, die Hände in die Seiten gestemmt, und lächelt. „Ich muss das positiv sehen. Das Geld, naja, das ist eben weg.“ Dann holt er einen schweren Schlüsselbund heraus und geht durch eine offenstehende Haustür, ein paar Steinstufen in den Flur des über 100 Jahre alten Mehrfamilienhauses. „Das hier haben wir rot gestrichen. Für die jungen Leute, direkt ein bisschen frisch“, sagt er und deutet gut gelaunt auf einen Farbstreifen, der sich durchs Treppenhaus hochzieht. In der zweiten Etage findet er auf Anhieb den richtigen Schlüssel an seinem Bund und schließt die Tür auf.

 
Die Anwohner der Schlosserstraße in Halle können aufatmen. (Kamera: Matthias Lochmann, Schnitt: Matthias Lochmann)

Räumungen und Entmüllung: Roma ziehen aus Schlosserstraße

Die Wohnung ist eine von knapp 100, die Günther Cervenys Immobilienfirma in der Schlosserstraße gehört. Neun Häuser mit 4 200 Quadratmetern Wohnfläche. Ein beneidenswerter Geschäftsmann, könnte man meinen. Doch mit seinen Immobilien in der Schlosserstraße hat Cerveny in den vergangenen Jahren kein Glück gehabt. Grund waren seine Mieter. Roma, bis zu 90 Familien sollen es in der Spitze gewesen sein, sorgten für Beschwerden über Müll, Lärm und Kriminalität. Der Ruf der Straße litt so sehr, dass die Stadt zeitweise sogar wöchentliche Anwohnerversammlungen vor Cervenys Problemhäusern veranstaltete. Die Polizei lief Streife, der Direktor der Huttenschule beklagte sich ungewöhnlich deutlich über die Zustände vor seinem Schulhof.

Dass an diesem Donnerstag schon wieder haufenweise Müll auf dem Gehweg herumliegt, ist für Cerveny und viele Anwohner jedoch Grund zur Freude. Denn das Kapitel Roma in der Schlosserstraße ist nach fast drei Jahren wohl beendet. Bis auf drei Familien sind alle Roma ausgezogen. Zum großen Teil wurde ihnen gekündigt. Teilweise hat Cerveny auch Räumungstitel vor Gericht erwirkt. „Seit 14 Tagen sind wir in einem Großeinsatz damit beschäftigt, die Wohnungen, Dachböden und Keller zu entmüllen“, sagt der Geschäftsmann. „In maximal drei Wochen sind auch die letzten Roma raus.“

Sinnlose Zerstörungswut durch die früheren Bewohner

Mit seinen Häusern in der Schlosserstraße hat er viel vor. Sie sollen renoviert und an ordentliche Mieter vermietet werden. Verträge mit Roma will Cerveny hingegen nicht mehr unterschreiben. Denn sie hätten Schäden verursacht, die ihn fast zur Verzweiflung getrieben hätten. „Es wurden Treppengeländer abgebaut und Fensterscheiben zertrümmert. Von der Bepflanzung des Hofs ist nichts mehr da. Besonders schlimm war es beim Auszug. Da haben sie aus Frust alles sinnlos zerstört.“

In einigen noch nicht renovierten Wohnungen ist dieser Zustand noch zu sehen. Manche Zimmer sind bis unter die Decke in drei verschiedenen Rottönen gestrichen, während sich der aufgequollene Fußboden hebt. In den Wänden fehlen große Teile Putz, Türschlösser sind aufgebrochen, Lichtschalter herausgerissen, Türen bekritzelt und eingeschlagen.

Cerveny plant Neuanfang mit Transparenz

Doch damit soll nun endlich Schluss sein. Haus für Haus nehmen sich Cervenys Handwerker nun vor und die Stadtwerke räumen in den nächsten Tagen die Müllberge weg. „Zwei Wohnungen habe ich schon vermietet. Sie werden in den nächsten Wochen übergeben.“ Wie er das geschafft habe, schließlich hat die Schlosserstraße einen schlechten Ruf? „Wir haben den Interessenten klipp und klar gesagt, was hier los ist. Wir haben erläutert, dass es Probleme gab, aber wir jetzt in eine positive Zukunft aufbrechen“, sagt Cerveny mit einer Zuversicht, die angesichts der erlittenen Schäden erstaunlich ist.

Neuanfang der Schlosserstraße durch geringe Mieten

Allein die Mietschulden der Roma würden sich auf 80.000 Euro belaufen, rechnet er vor. „Seit 2017 habe ich kein Geld mehr bekommen.“ Immerhin lasse er Ex-Mieter nun aufräumen und erlasse ihnen dafür einen Teil der Schulden. Für die Renovierung der Wohnungen, so dass sie wieder vermietet werden können, veranschlage er 100.000 Euro.

Weitere 1,9 Millionen Euro habe er vor dem Einzug der Roma ausgegeben, um die Häuser zu sanieren. Es wird wohl sehr lange dauern, bis Cerveny die Verluste mit neuen Mietern wieder reinholt, denn die Mieten setzt er weiterhin niedrig an. So soll eine 39 Quadratmeter-Wohnung in dem Jugendstil-Haus nur 260 Euro kalt kosten.

Die Tür zu einer solchen bereits renovierten Wohnung steht nun offen. Cerveny packt den großen Schlüsselbund wieder ein. Ein neuer, durchgängiger Boden ist in Wohn- und Schlafzimmer verlegt. Im Bad hängen neue Fliesen an der Wand. Stolz ist der Vermieter auf eine rote Einbauküche. Sogar die Dunstabzugshaube funktioniert schon. „Die Zeit ist doch perfekt. Jetzt kommen die ganzen neuen Studenten in Halle an“, sagt Cerveny. Und dann muss er weiter. Bis Weihnachten sollen alle Wohnungen renoviert sein. (mz)

Günther Cerveny renoviert die Wohnungen und baut neue Küchen ein.
Günther Cerveny renoviert die Wohnungen und baut neue Küchen ein.
Silvio Kison
Im Keller eines schon sanierten Hauses gibt es abschließbare Steckdosen.
Im Keller eines schon sanierten Hauses gibt es abschließbare Steckdosen.
Silvio Kison
Der Boden in den alten Wohnungen ist oft nicht zu retten.
Der Boden in den alten Wohnungen ist oft nicht zu retten.
Silvio Kison