Nach Attacke auf Genscher-Gymnasium Nach Attacke auf Genscher-Gymnasium: Schüler kämpfen gegen "Alt-Nazi" und "Diktator"

Halle (Saale) - Wäre Hans-Dietrich Genscher noch am Leben, sein Geburtstag am Mittwoch wäre ihm vermutlich gründlich vermiest worden. Genau 91 Jahre alt wäre der „ewige Außenminister“ aus Halle am Mittwoch geworden, und just an diesem Tag tauchten an seiner alten Schule in der Friesenstraße Graffiti-Schmierereien auf, die den Politiker verunglimpfen: „Waffendealer, Alt-Nazi“, „Diktator“, „Personenkult überwinden“ und „Genscher überwinden“ stand am Morgen auf den Wänden der Schule, die seit August 2017 nicht mehr Herder-, sondern Hans-Dietrich-Genscher-Gymnasium heißt.
Kritiker von Hans-Dietrich Genscher werfen dem ehemaligen Außenminister vor, dass er 1944 im Alter von 17 Jahren Mitglied der NSDAP gewesen sei. Nach Genschers Aussage hatte er jedoch nie freiwillig einen Aufnahmeantrag abgegeben, sondern war durch eine Sammelanmeldung Mitglied der Partei geworden.
Der Focus berichtete 1994, als Genschers Vergangenheit an die Öffentlichkeit gelangte, der Politiker selbst habe erst in den 70er Jahren von seiner Mitgliedschaft erfahren.
Auch ein Anarchie-Zeichen ist zu sehen. In Anspielung auf Genschers FDP-Parteibuch, seinen berühmten gelben Pullunder und die verwendete gelbe Farbe schrieben die Täter „Da habt ihr euer gelb“.
Schüler beschäftigen sich mit Geburtstag von Hans-Dietrich Genscher
Einige Schüler beschäftigen sich laut Schulleiter Günter Eckert bereits seit Wochen mit Genschers Geburtstag. Doch statt sein Leben in den Vordergrund zu stellen, ermittelt nun der Staatsschutz, weil die Schmierereien eindeutig einen politischen Hintergrund vermuten lassen. Das bestätigte Polizeisprecherin Lisa Wirth der MZ am Mittwoch. „Zu den ersten Maßnahmen zählen die qualifizierte Spurensuche und Spurensicherung sowie die Befragung möglicher Zeugen“, sagte sie. Bislang würden aber keine Hinweise auf die Täter vorliegen.
Der Schulleiter Günter Eckert glaubt indes nicht, dass die Schriftzüge zufällig ausgerechnet zu Genschers Geburtstag auftauchten. Schließlich ist die Attacke schon die zweite innerhalb eines guten halben Jahres.
Bereits kurz vor der feierlichen Umbenennung 2017 habe es eine Attacke mit angeklebten Postern und Graffiti gegeben. „Weil zum Festakt Gäste eingeladen waren, hat die Stadt damals schnell reagiert und die Graffiti in den Morgenstunden beseitigt“, sagte er. Das glückte am Mittwoch nicht. „Der Hausmeister hat die Schmierereien heute Morgen entdeckt und die Polizei informiert“, sagte Eckert.
Direktor des Genscher-Gymnasium ärgert sich über den Angriff auf seine Schule
Er ärgere sich über den Angriff auf seine Schule. „So etwas brauchen wir hier nicht. Eine Auseinandersetzung mit der Person Genscher kann auch verbal oder in einem Brief erfolgen und nicht auf Kosten der Stadt, die tief in die Tasche greifen muss.“ Allerdings habe er Angriffe auch erwartet. „So etwas kann man nicht ausschließen, wenn der Namensgeber in der politischen Öffentlichkeit unterschiedlich gesehen wird.“ Durch die Umbenennung nach Genscher sei die Schule mehr in die Öffentlichkeit gerückt. „Da ergibt es sich zwangsläufig. Ich bin nicht überrascht“, so Eckert.
Gutheißen kann er den Angriff dennoch nicht, zumal die Umbenennung ein demokratischer Prozess gewesen sei. „Schüler, Eltern und Lehrer haben die Umbenennung mit einer klaren Mehrheit mitgetragen“, erinnert er. Schließlich gab auch noch der Stadtrat dem Genscher-Gymnasium seinen Segen.
Das wollen sich weder Schulleiter Eckert noch seine Schüler kaputtmachen lassen. „Die Schüler haben mich angesprochen. Sie sind erschrocken, irritiert, entsetzt“, sagt der Direktor. Aber er habe schon gehört, dass „Gegenplakate“ angefertigt würden, auf denen die Schüler „ihren“ Genscher und die Umbenennung in Schutz nehmen. (mz)