Moritzburg Halle Moritzburg Halle: Bauen! Koste es, was es wolle
Halle (Saale)/MZ. - Fehlende bis mangelhafte Brandschutz-Einrichtungen, teilweise Beschädigung der mittelalterlichen Bausubstanz: Es war und ist - die inzwischen hochgezogene Brandmauer inklusive - ein schwerer Fall von Pfusch am Bau, der im August 2010 am Neubau der Stiftung Kunstmuseum Moritzburg in Halle öffentlich sichtbar wurde. Von anfangs kalkulierten 13,2 Millionen Euro hatten sich die Kosten des 2004 begonnenen und Ende 2008 eröffneten Gebäudes auf 18,2 erhöht. Und bis heute sind nicht alle Folgekosten der Schäden absehbar. Vor einem Monat erst gab das Landeskabinett 400 000 Euro aus DDR-Parteienvermögen frei, um den nachträglichen Brandschutz zumindest teilzufinanzieren.
Seit Jahren war die Moritzburg in ihrem internen Verwaltungsvollzug überfordert. So sehr, dass diese nun seit Beginn des Jahres von der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt verwaltet wird. Die finanziellen und baulichen Schäden wollte man 2010 möglichst nicht öffentlich diskutiert sehen, auch dienstliche und politische Verantwortlichkeiten wollte man nicht darstellen. Genauer: Nicht vollständig darstellen.
Nicht etwa der vormalige Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos), als Vorsitzender des Stiftungsrates der Moritzburg und Dienstherr der Stiftung der oberste Herr des Gesamtverfahrens, nicht die Direktorin der Stiftung, Katja Schneider: Verantwortlich sollte allein der ihr untergeordnete, im Herbst 2007 angestellte Verwaltungsleiter sein. Den hatte die Stiftung im März 2010 fristlos entlassen. Vorwurf: gravierende sachliche und handwerkliche Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung. Der Gekündigte klagte gegen seine Entlassung. Am Donnerstag kam es am Arbeitsgericht Halle zur Verhandlung, die von dessen Direktorin Bettina Bartels-Meyer-Bockenkamp geführt wurde. Souverän, detailliert, auf Höhe des Materials.
So weit man dieses der Richterin überhaupt zur Verfügung gestellt hatte. Wie sie sagt, sei das nur "rudimentär" geschehen, obwohl hier ein "hochkomplexer" Zustand zu beurteilen ist. Man habe das Gericht nicht mit auch Fall-fremden Teilen der Akten belasten wollen, erwiderte der Vertreter der Stiftung. So lagen ausgerechnet die Protokolle des Stiftungsrates, des wichtigsten Genehmigungsorgans, überhaupt nicht dem Gericht vor - was nicht nur die Richterin verblüffte. Nicht allein, dass diese Protokolle fehlten; der Anwalt der Stiftung kannte diese gar nicht.
Nicht der einzige Umstand, der die Richterin staunen ließ: "Ich hätte mich gefreut, wenn die Direktorin selbst erschienen wäre, das hätte die Sache sehr vorangebracht." Aber statt Katja Schneider war der Verwaltungsdirektor der Stiftung Dome und Schlösser, Claus Rokahr, erschienen, der als "nicht unvoreingenommen" den Saal verlassen musste. Warum die Direktorin fehlte? Ihre Teilnahme sei nicht angeordnet gewesen, teilte ein Sprecher der Moritzburg mit, man sei durch den Arbeitgeber vertreten gewesen. Also rückte schließlich der in den schon Jahre währenden Stiftungsvorgängen kenntnisarme neue Personalchef an den Verhandlungstisch vor - mit der Auflage, die fehlende, von der Direktorin auszustellende, Vollmacht für seine Anwesenheit nachzureichen.
So gehörte die anderthalbstündige Verhandlung zwangsläufig vor allem der Richterin und dem Kläger. Der schilderte die Situation, die er bei seinem Dienstantritt in der Moritzburg 2007 vorgefunden habe: ein Bauvorhaben, das von Anfang an nicht durchfinanziert war, bei dem im Sommer 2008 die Kosten explodierten, bei dem immer neue Rechnungen in die Nachtragshaushalte eingefügt werden mussten, bei dem der Minister allen Akteuren ständig im Nacken saß. Der Bau sollte unbedingt im Dezember 2008 eröffnet werden, koste es, was es wolle, denn der Bundespräsident sei eingeladen. Hauptsache bauen!, habe es geheißen, ob der Architekt und Projektsteuerer in Haftung genommen werden müsse, schaue man später.
Ohnehin sei das erste, was die Direktorin dem Verwaltungsleiter bei seinem Amtsantritt erklärte habe, das gewesen: Dass sie alle Fragen, die den Bau betreffen, allein mit Olbertz entscheide. Chefsache also. Er sei mithin immer nur ein Akteur "neben" und nicht "vor" der Direktorin gewesen, erklärte der Kläger. Tatsächlich hätten alle Beteiligten zu jeder Zeit über alles Bescheid gewusst, und angewiesen, was er auf den Weg zu bringen hatte. In der Sache und in der Form.
Das ist das Bild, das sich im Zuge der Verhandlung darstellte. Wohl auch für den Anwalt der Stiftung, der erklären musste, vieles "Interessantes" zu hören. Ob es die Beurteilung des Beklagten verändere, wollte die Richterin vom Stiftungsvertreter wissen, wenn das alles stimme, was der Kläger ausführt, nämlich, dass alle jederzeit Bescheid wussten, dass also keine Alleingänge des Klägers geschehen seien? Der Beklagte räumte ein: Er würde dann noch einmal eine neue Bewertung vornehmen. Das könne er nicht in drei Minuten leisten.
Sehr wahrscheinlich aber schon recht bald, vielleicht sogar ohne zweite Verhandlung. Die erste endete ohne Urteil, selbstverständlich. Aber eine Lösung zeichnet sich ab. Der Kläger wünscht, im Fall der letztgültigen Widerlegung der Kündigungsvorwürfe, wieder eingestellt zu werden. Entweder in der Moritzburg oder in einer anderen, dem Kultusministerium unterstellten Einrichtung. Der 57-Jährige fühle sich, sagte er - nicht zuletzt durch den Hohn, der ihm öffentlich aus der Verwaltung zuteil geworden sei - nach 35 Jahren tadelloser Tätigkeit in seiner Berufsehre verletzt.