Schon 2.000 Tracks "Monkey Safari" aus Halle erobern mit elektronischen Beats die Welt die Welt

Halle (Saale) - Hier fließt der Schweiß in Strömen. Shirts kleben an den Körpern. Es wird getanzt bis zur Ekstase. Die Beats bringen ein Gemisch zum Beben. Es besteht aus Scheinwerferlicht, Alkoholdunst und schreiendem Glück.
Ob kleiner Klub oder große Festivalbühne, zwei junge Leute aus Halle rufen zur „Monkey Safari“. Lars (30) und Sven Rühlemann (33) sind ein Exportschlager aus Sachsen-Anhalt.
Der Preis des Erfolges ist die Frage am Morgen danach. Sie lautet: Hilfe, wo bin ich? Wer nur zum Ausschlafen und Wäsche wechseln nach Hause kommt, der kennt, fürchtet und liebt dieses Lebensgefühl. Genauso geht es den Jungs von „Monkey Safari“ aus Halle.
Der größte Luxus, den man sich gönnt: ein ausgiebiges Frühstück zur Mittagszeit. Doch dann greifen die Musiker wieder nach ihren kunterbunten Tropenhelmen und ziehen los. Los, los, denn der Flieger wartet nicht. Highlife erwartet sie. Frau beziehungsweise Freundin, zwei Kinder und drei Hunde bleiben zurück.
Lars und Sven Rühlemann sind „Monkey Safari“
Jobben im 21. Jahrhundert bedeutet in ihrem Fall: Wanderarbeit. Melbourne, Kairo, London und auch New York, kurz, einmal um die ganze Welt. Im Dunstkreis der elektronischen Subkultur ist das kein Problem, sondern Alltag. Um mitzumachen, genügt den beiden meist das kleine Handgepäck mit gut 2.000 Tracks. Drinnen steckt auch die neueste musikalische Luftfracht: Vier Klangelemente mit teils hypnotischer Anmutung sind seit zehn Tagen verfügbar - auf einschlägigen Musikportalen und auf Vinyl gepresst. Der Titel - wohl ein Rätsel - heißt „Boris“.
Lars und Sven Rühlemann gelten als Missionare der guten Laune. „Wir sind unterwegs, um Menschen lockerer zu machen.“ Unter jungen Leuten gehören sie damit - neben Genscher und Händel - häufig zu den Markenzeichen der heimlichen Kulturhauptstadt. Mehr als 115.000 Fans allein bei Facebook belegen die Beliebtheit.
Erste Platte von „Monkey Safari“ ist ein Flop
Lars und Sven sind Brüder, aufgewachsen in Halle, irgendwo zwischen Steintor-Varieté und Opernhaus. Sven, der Ältere, ist von Haus aus Tischler. Der jüngere Lars kennt sich mit Mediengrafik aus. Sechs Jahre ist es her, dass sie ihre angestammten Metiers verlassen haben. Nun erreicht das gemeinsame Projekt, ein Leben mit und von Musik, gerade das verflixte siebte Jahr.
Ein Grund zu Selbstzweifel ist weit und breit nicht in Sicht. Dabei verbindet sich die Erinnerung an die Anfänge mit einem krachenden Fehlstart. Von den ersten tausend Platten liegen 800 immer noch im Schrank, eingeschweißt und unberührt. „Finanziell ein Desaster“, sagt der eine. „Musikalisch eine unvermeidlich wichtige Kurskorrektur“, meint der andere.
„Monkey Safari“ weltweit unterwegs
Von Klub zu Klub, von Festival zu Festival - inzwischen sind sie auf weltweiter Safari. Unterwegs grapschen sie „wie die wilden Affen“ nach fremden Titeln, mixen mit Computern geklaute Klänge mit eigenen Geistesblitzen. Heraus kommt Neues - ein elektronisches Menü, das man auf allen Kontinenten hören kann. Wer sich auskennt, weiß um die Raffinesse dieser Spezies: eine fröhliche Fusion von unterschiedlichen Stilrichtungen, darunter House und Techno.
Mehr und mehr wagt sich „Monkey Safari“ an eigene Kreationen. Ströme aus Noten suchen und finden ihre Wege, fließen ineinander. Dazu hämmern Trommeln aus dem Maschinenraum mit unendlicher Ausdauer. Nicht umsonst: 300.000 Zugriffe und mehr in Internet-Portalen sind keine Ausnahme. Doch der Schein allzu großer Leichtigkeit trügt. Nächte im Studio liegen vor den zuweilen südländisch anmutenden Rhythmen.
„Monkey Safari“ legen im „Charles Bronson“ auf
Fans daheim bekommen, abgesehen von den Mitschnitten im Internet, allerdings nur selten eine Live-Hörprobe. Nur einmal im Monat legen die Brüder im Klub an der Berliner Straße in Halle auf. Die Location nennt sich nach der amerikanischen Schauspieler-Ikone, „Charles Bronson“. Ausgebaut in Eigenleistungen, liegt das Kultobjekt direkt unter einer vielbefahrenen Brücke.
Den Großteil seiner Zeit verbringt das Duo außerhalb Deutschlands. „Die Welt ist eng zusammengerückt.“ Durch die weltweite Vernetzung sei es leichter, an Jobs in anderen Ländern zu kommen. Einladungen, seine Tracks abzuspielen, erhält es von allen Kontinenten. Bald geht ein Traum in Erfüllung. Noch in diesem Jahr lockt Afrika, zunächst von der Südspitze bis Kenia. Klubs und Festivals, kleine, mittlere und ganz große, buchen die musikalische Offerte aus dem deutschen Osten. Vielleicht der wichtigste Grund: Ihnen eilt ein Ruf voraus. Wenn „Monkey Safari“ auf die Bühne kommt und auflegt, dann werden Konventionen übersprungen. Das Ziel: „Zeigen, wie man die Nacht zum Tage macht.“
„Monkey Safari“ ohne Set-List
Meist treffen die beiden Hallenser drei bis vier Stunden vor dem Start ein. Richtig los geht es ab Mitternacht. Lars: „Wir lassen die Stimmung der Location auf uns wirken und entscheiden dann, wo die musikalische Reise hingeht.“ An der Bar sitzen, Drinks schlürfen und - Zack! - dann macht man alles richtig? So einfach sei es nicht. Wenn sie bewusst keine Set-List verwenden, auf Spontanität setzen, spielen „Monkey Safari“ ihre Szene-Kenntnis aus. Alle zwei, drei Tage, jedes Wochenende, werfen sie ihre Musik-Maschinen an.
Ein bisschen Sendungsbewusstsein gehört dazu, meint Bruder Sven. Das klingt nach Anspruch, nicht nach Rummel-Techno. Im Gegenteil: Man wolle zeigen, was möglich ist, wenn starre Strukturen musikalisch aufgebrochen werden. „Lieder, zu denen wir Zugang finden, werden früher oder später bearbeitet, teils extrem.“ Grenzen fallen, wenn zum Beispiel Aufnahmen aus der U-Bahn in New York oder Jazziges unterlegt werden. Nichts ist unmöglich - das erweise sich als das beste Erfolgsrezept. Sachsen-Anhalt einmal anders: Das bedeutet hier Happy Body Music für die Generation Zappelphilipp, Leute unter 40 Jahren. Ob melodiös oder getragen, nachdenklich oder schweißtreibend: schwer fassbar, aber mehr als Tanzmusik mit Steckdosenanschluss allemal. Einfach mal zuhören. (mz)