Mobbing unter Schülern Mobbing unter Schülern: Eine Kindheit im Spießrutenlauf

Halle (Saale) - Die erste Schulwoche ist fast rum und das Wochenende in Sicht. Für die meisten Schüler sind das zwei wertvolle Tage Zeit zum Durchschnaufen, für einige ist es die einzige Zeit, in der sich der Knoten in der Brust ein kleines bisschen löst. Dutzende Schüler werden wieder zum Opfer von Mobbing, sobald sie durch das Tor in den Schulhof gehen.
Sie werden geschubst, angespuckt oder andauernd beleidigt, über sie wird in großer Runde gelästert, sie bleiben jedes Mal übrig, wenn im Sport die Mannschaften gewählt werden. Über Mobbing-Opfer ergießen sich Schikanen in unterschiedlichster Form. Und selbst wenn sie die nachmittags wieder verlassen, hören die Hänseleien nicht auf, nur weil die Schulglocke läutet.
„Das ist das Schlimme an Cyber-Mobbing, das geht immer weiter“
„Das ist das Schlimme an Cyber-Mobbing, das geht immer weiter“, sagt Martin Walter. Walter ist einer von drei Mitarbeitern der Caritas Beratungsstelle MobbingHelp und spezialisiert auf Attacken im Netz. „Der Anteil des Cyber-Mobbings wird immer größer. Wir beobachten außerdem, dass immer jüngere Schüler schon Smartphones haben und sich, selbst wenn sie noch gar nicht schreiben können, einfach über Whatsapp Sprachnachrichten schicken, in denen dann gelästert wird“.
Am häufigsten haben es die Helfer dann mit Fällen zu tun, in denen in Gruppenchats online über einen Klassenkameraden hergezogen wird. Manchmal haben es ein paar einzelne Schüler auf ein Opfer abgesehen, nicht selten auch eine ganze Klasse. Die Angriffspunkte suchen sich die Täter scheinbar willkürlich. „Es betrifft nicht nur zum Beispiel dicke Kinder, es kann jeden treffen“, so Walter. Derzeit wenden sich laut Walter immer häufiger Betroffene zwischen sieben und zehn Jahren an die Caritas. Und wenn sie das tun, „dann existiert das eigentlich Problem oft schon ein halbes oder ein ganzes Schuljahr lang“, wie Sozialpädagogin Susann Koch sagt.
Beratungsstelle bietet in Schulen Vor-Ort-Sitzungen zu Mobbing
Oft ziehen dann die Schulen die Notbremse und suchen sich Hilfe bei dem Team, erzählt Koch. „Das ist genau richtig so. Es gibt zwar auch Ansätze von den Schulen selbst, dass sich alle - also das Opfer, die Täter, deren Eltern und die Lehrer - an einen Tisch setzen, aber das geht meistens nicht gut aus“, so Koch. Denn schnell werde aus einem Gespräch unter Erwachsenen eine Schuldschieberei zwischen den Eltern und der Schule. Den Schülern sei damit nicht geholfen. Die Beratungsstelle bietet deshalb Vor-Ort-Sitzungen an und hat ganz unterschiedliche Methoden, den fiesen Schikanen, Beschimpfungen oder der Gewalt ein Ende zu setzen.
„Die Grundidee ist oft, die Strukturen aufzubrechen und neue Verbindungen unter den Klassenkameraden zu schaffen, indem man zum Beispiel dem Opfer ein Trainerkind zur Seite stellt“, erklärt sie. Drei Monate begleitet das Team im Schnitt die Fälle. Die Gespräche mit allen Beteiligten bilden dabei die Hauptarbeit. Ab und zu holen sich die Mitarbeiter Hilfe von der Polizei, die vor den Klassen über Konflikte redet. „Es dauert, bis die Probleme wirklich bereinigt sind, aber es gibt in jedem Fall immer eine Verbesserung im Klassenverbund“, sagt Walter. „Es ist extrem wichtig, den Opfern ganz klar zu vermitteln, dass sie keine Schuld daran tragen“, sagt er.
Kinder ziehen sich bei Mobbing oftmals extrem zurück
Eltern rät er, auf frühe Warnzeichen zu achten, ob ihr Kind permanent geärgert wird. „Wenn Sachen im Rucksack fehlen oder die Kleidung zerrissen ist, das sind deutliche Zeichen.“ Am Verhalten des eigenen Kindes könne man zudem ebenfalls Hinweise finden: Entweder das Kind zieht sich extrem zurück, lässt Hobbys fallen und igelt sich ein, oder es wird selbst zum Problemschüler, der in der Klasse stört und nach Aufmerksamkeit sucht. Weil letzteres auch bei Lehrern für Unmut sorgt, sei selbst für diese nicht immer klar zu erkennen, wer eigentlich das Opfer ist.
Die Caritas-Mitarbeiter würden zudem lieber mehr Anti-Mobbing-Programme an Schulen umgesetzt sehen. „Es gibt da keine Strukturen, wenige Ansprechpartner, die vielleicht auch mal eine Fortbildung in der Richtung angeboten bekommen“, so Walter. Gefühlt fange die Caritas immer wieder von vorn an.
››Hilfe für Opfer bis 26 Jahre unter [email protected] oder 0345 13512530. (mz)