Ungewöhnliche Reise Mit dem Motorrad aus Halle nach New York

Halle - Sie haben es tatsächlich geschafft. Fast zumindest. Im September 2014 brachen die fünf Motorradfahrer in Halle auf, um New York auf dem Landweg zu erreichen. Mancher bezeichnete das Vorhaben damals als eine Verrücktheit. Und ein bisschen war es das auch. 30 000 Kilometer durch Europa, Asien und Amerika. Und das auf Ural-Motorrädern, einem russischen Fabrikat mit Seitenwagen, den Traktoren unter den Zweirädern.
Mehr als zwei Jahre sind seit dem Start bereits vergangen. Als Anne Knödler nun ans Telefon geht, befindet sich die Motorrad-Gang bereits im Süden der USA, kurz vor der Mississippi-Metropole New Orleans. Und Knödler klingt noch immer so euphorisch wie am Anfang der Reise.
„Für uns ist jeder Tag ein neues Abenteuer, aber wir sind weiterhin mit viel Freude und Humor dabei“, sagt sie.
Reise aus Halle nach New York mit Motorrädern: Ein Ritt über das arktische Meer
Beim letzten Telefonat im Januar 2016 waren die Globetrotter gerade im Winterlager im kanadischen Vancouver. Hinter sich hatten sie da eine Strecke, die sie durch die Mongolei, Sibirien und an den kältesten bewohnten Ort der Welt geführt hatte. „Danach waren unsere kompletten Geldreserven aufgefressen“, sagt Knödler.
In Vancouver hieß es deswegen: Kassen wieder auffüllen. „Wir haben dort tagsüber gearbeitet und in der Nacht die Pläne für den nächsten Sommer geschmiedet.“ Und der sollte sie an ein Ziel führen, an dem sie bereits gescheitert waren.
Ihr Plan sah nämlich vor, die Beringstraße mit den Motorrädern zu durchqueren. Also jene 80 Kilometer breite Meerenge zu passieren, die Russland und Alaska trennt. Eigentlich wollten sie dort schon im Sommer 2015 ankommen. Doch die Zeit reichte nicht aus.
Ein Jahr später sollte der Ritt über das arktische Meer nun nachgeholt werden.
Doch bereits der Weg an dieses Ende der Welt ist eine Herausforderung. Die Strecke führt durch den äußersten Teil Russlands, den Fernen Osten. In den Sommermonaten sind die Straßen dort von breiten Pfützen gesäumte Schlammpisten.
„In dieser Zeit verlagert sich der Verkehr deswegen auf die Flüsse“, sagt Knödler. Und die Ural-Piloten machten das auch. „Die Monate in Vancouver haben wir damit verbracht, die Ural in ein Boot zu verwandeln.“ An die Seiten kamen Pontons, also Schwimmkörper, und der Antrieb wurde so umgebaut, dass eine Schiffsschraube daran befestigt werden konnte. „Das hatte vor uns noch niemand mit den Maschinen gemacht.“
Ende Mai 2016 flog die Gruppe über Peking und Wladiwostok nach Magadan, den Ausgangspunkt für ihre Reise in den Fernen Osten. „Wir hatten 200 Kilo Übergepäck wegen der ganzen Ausrüstung“, sagt Knödler.
In Magadan besorgten sie sich neue, gebrauchte Ural-Motorräder. Ihre eigenen hatten sie nach Anchorage in Alaska geschickt, wo sie im September ankommen wollten. Nach einer Woche ging es dann nordwärts. „Die Maschinen waren bis oben hin vollgepackt“, erzählt Knödler.
Mit dabei: Essen für 30 Tage, Schwimmwesten, Ersatzteile und natürlich Bärenspray. „Das dabei zu haben, wurde uns empfohlen.“ Nach 800 Kilometern halbwegs annehmbarer Piste erreichten sie den Fluss Kolyma, ihre Straße für die nächsten Wochen. „Wir haben die Motorräder dann umgebaut und dachten, wir können gleich los“, sagt Knödler.
Doch schon bei der Testfahrt hing die erste Maschine nach 500 Metern fest. „Überall waren Sandbänke und die Motoren kamen nicht gegen die Strömung an“, Glücklicherweise half den Zweiradpiloten einmal mehr die Gastfreundschaft der Einheimischen. „Ein Kapitän schenkte uns eine zwar uralte, aber von den Seeleuten aktuell gehaltene Karte des Flusses“, erzählt Knödler. Damit schafften sie es, alle Hindernisse zu umschiffen.
Die fünf Hallenser auf Weltreise mit dem Motorrad lebten zeitweise in der Wildnis
Die nächsten Wochen verbrachten sie in einer ganz eigenen Welt. Der Kolyma ist auf 1 600 Kilometern passierbar, aber nur vier Siedlungen befinden sich an seinem Ufer. „Es wurde aufgrund der Polarnächte nicht dunkel, deswegen hatten wir bald jegliches Zeitgefühl verloren.“
Sie lebten in ihrem eigenen Rhythmus in der Wildnis, begegneten Jägern und Fischern. Und aus der Ferne sahen sie auch mal einen Bären. „Das Spray brauchten wir aber zum Glück nicht.“
Ende Juli kamen die Motorradkapitäne in Tscherski an, dem letzten größeren Ort, bevor der Kolyma ins arktische Meer mündet. „Dort erwartete uns bereits die Migrationspolizei“, sagt Knödler. „Als Begrüßung machten die erst einmal einen Wodka auf.“
Gestärkt ging es dann weiter Richtung Beringstraße. „Wir fuhren so schnell es ging, weil die Zeit schon wieder knapp war.“ In Bilibino, auf halber Strecke, bremste sie aber eine Flut aus. „Wir kamen mehrere Tage nicht aus der Stadt“, sagt Knödler. Der Traum von der Fahrt über das Meer platze abermals.
Enttäuscht, aber trotzdem stolz auf den geschafften Weg, flogen sie über Kamtschatka nach Anchorage. „Alaska mit seiner bergigen Weite ist landschaftlich der Wahnsinn“, sagt Anne Knödler. Durch Kanada ging es Richtung Süden zurück nach Vancouver und dann in die USA. Sie durchquerten in Utah die Salzseen und sprangen am Malibu Beach in Los Angeles in den Ozean. Einem Prinzip blieben sie auf ihrer Reise aber treu: „In einem Hotel haben wir nie übernachtet.“
Nun jedoch ist das große Abenteuer fast vorbei. New York wollen sie am 10. Januar erreichen. Fünf Tage später geht ihr Flug nach Deutschland. „Bei uns mischen sich Vorfreude und ganz viel Wehmut“, sagt Knödler. Aber erst einmal wollen sie noch die letzten Tage genießen. „Wir stürzen uns heute erst einmal in das Nachtleben von New Orleans.“ Und das Abenteuer Beringstraße, ist auch noch nicht ausgeträumt. „Unsere Motorräder und die Bootsausrüstung haben wir in Russland gelassen“, sagt Knödler. Irgendwann wollen sie dorthin zurück.
Wer die Fünf auf den letzten Metern unterstützen will, kann das auf dieser Webseite.
(mz)

