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Martin P. Zschornack alias Seth Schwarz Mediziner aus Halle beim Burning Man: Wie aus dem Arzt Martin P. Zschornack der Elektrogeiger Seth Schwarz wird

Von Iris Stein 03.09.2016, 10:19
Mit Arztkittel und Elektrogeige: Martin P. Zschornak alias Seth Schwarz
Mit Arztkittel und Elektrogeige: Martin P. Zschornak alias Seth Schwarz UHK

Halle (Saale) - Das ist sein Moment! Er steht auf einem Fahrzeug, das er „einen intergalaktischen Battle Cruiser“ nennt in Anlehnung an den Science-Fiction-Film „Star Wars“. 120 Leute sind außer ihm auf diesem ArtCar, zu Deutsch etwa „Kunst-Auto“, das die Black Rock Wüste in Nevada erzittern lässt. Es gibt auf dem Gefährt Laser, Feuerwerfer und Hebebühnen, es soll gar schweben. Und es ertönt Musik, die Tausende Hippies und Freaks in Verzückung setzt. Techno-Sound in sinfonischen Dimensionen, kombiniert mit dem Klang der Elektrogeige. Musik, die er erdacht hat und aufführt: Seth Schwarz, für den mit diesem Auftritt ein Traum wahr wird. Dass er hierher, zum spektakulären Festival „Burning Man“, eingeladen wird, fünf so genannte Acts bestreitet, das begreift er als Ritterschlag für seine künstlerischen Ambitionen.

Martin Paul Zschornak aus Halle als DJ und Elektrogeiger

Im normalen Leben stellt sich der DJ und Elektrogeiger als Martin Paul Zschornak aus Halle vor. Noch vor gut einer Woche war er im weißen Kittel auf der Strahlentherapie-Station im Universitätsklinikum Halle unterwegs. Hier arbeitet er, hat gerade das erste Jahr seiner Ausbildung zum Facharzt für Strahlentherapie hinter sich.

„Wie fühlen Sie sich heute? Sind Sie auf dem Weg zur Bestrahlung?“, begegnet er fürsorglich einem Patienten auf dem Klinikflur, ganz betreuender Arzt. Es geht im Alltag - und in seiner Doktorarbeit, an der er schreibt - um Glioblastome und ihre Radiosensitivität, also um Hirntumoren, die mit Unterstützung von Medikamentengaben effektiver bestrahlt werden sollen. Ein kompliziertes wissenschaftliches Feld, von dem er schwärmt, wenn er versucht, einem Laien zu erklären, woran er forscht und arbeitet.

So kommen die verschieden Leidenschaften zusammen

Wie geht das zusammen, diese verschiedenen Leidenschaften, für die der junge Mann sowohl Talent als auch Können aufbieten kann? Für ihn selbst ganz einfach: Als Mediziner im Angestelltenverhältnis hat er eine „Dreiviertelstelle“, etwa drei Tage in der Woche, nichts Ungewöhnliches. „Aber ich hatte schon in der Schule eine 40-Stunden-Woche und mehr“, sagt der 29-Jährige trocken, es bliebe genug Zeit für seine wissenschaftliche Arbeit, die Ausbildung und auch für die Musik.

Auf diesem Gebiet hat der gebürtige Lausitzer einst ganz klassisch angefangen: Bei einem Tag der offenen Tür in der Musikschule Hoyerswerda stand er als Erstklässler mit großen Augen vor der Geige. „Der Klang hat mich angezogen“, sagt er, und so nahm er mehr als zehn Jahre Geigenunterricht, besuchte ein Gymnasium mit musikalischer Ausrichtung. Lernte Klavierspielen, Gesang, Musiktheorie, komponieren . . . Alles im klassischen Fach. „Für Skateboarden und Graffitisprühen war trotzdem Zeit“, grinst er. Dann, bei einem ein Schul-Austauschjahr in den USA, kam er mit Jazz in Berührung. „Wie sich das anfühlte, ohne Noten, nach Gefühl zu spielen!“, erzählt er begeistert von dieser Zeit. „Ich habe gespielt, gespielt, gespielt - alle die Melodien, die ich im Kopf hatte.“ Von der Klassik hat er sich entfernt, „aber die ist eine tolle Basis“, versichert er, was seiner Musik auch deutlich anzuhören ist. Unvermittelt kommt er auf sein Interesse für Physik und Chemie zu sprechen: „Wenn es raucht und Feuer sprüht - da bin ich dabei“, lacht er. Der Weg zur Medizin war so nicht weit - „der Tipp, dass das etwas für mich wäre, kam von unserer Hausärztin“.

Sein Fachgebiet ist kein einfaches. Mehr als 90 Prozent der Patienten in der Strahlentherapie leiden an Krebserkrankungen, viele mit keiner guten Prognose. „Das war schwer“, bekennt der junge Mann, „ich hatte anfangs große Probleme. Doch ich bemühe mich, das professionell zu sehen und positive Energie zu übertragen.“

Medizin und Musik im Leben von Martin P. Zschornak

Martin Zschornak ist ein Gute-Laune-Mensch. Doch zugleich spüren Gesprächspartner und wohl auch Patienten seine Aufmerksamkeit. Seine Fähigkeit, Andeutungen wahr- und ernst zu nehmen. Er ist ein Schnelldenker, fix, beweglich - oberflächlich ist er nicht. Mag sein, dass diese Gabe, Stimmungen zu erspüren, sich auf Menschen einzulassen, Freude zu vermitteln, für die Musik ebenso wichtig ist wie für seinen Beruf. Die Massen folgen ihm und seinen Klängen nur zu gern, wenn er auf der Bühne steht. Es ist ein Hin und Her zwischen Profession und Leidenschaft, im Gespräch wie im Leben.

Für ihn sind Medizin und Musik nicht zwei Dinge, sondern ohne einander nicht denkbar. Die betagte Patientin, der er zum Geburtstag den Csárdás von Vittorio Monti im Krankenzimmer spielte, war überwältigt. Seine Hip-Hop- und Techno-Musik ließen die Schwestern mit Begeisterung auf dem Klinikflur laufen, „bis ich sie selbst nicht mehr hören konnte“. Er will beides: Musik und Medizin. „Kein Teil davon wird irgendwann die Oberhand bekommen“, meint der Mann mit dem Künstlernamen, „mein persönliches Glück ist es, die Balance zwischen beidem zu finden. Wird eines zum Extrem, ist das nicht gut. Ich schöpfe Energie von einer für die andere Seite.“ Mit entwaffnender Fröhlichkeit spricht er davon, so viel Power zu haben, dass er einfach mehr als eine Sache machen muss.

So entstand der Künstlername „Seth Schwarz“

Für den Künstlernamen hat er eine Erklärung, die kaum zu glauben ist: Seth ist ein altägyptischer Wüstengott, der Verderben und Düsternis nahe steht. Und das bei seiner Frohnatur? „So eine Phase hatte ich auch mal, da habe ich vielleicht Texte gemacht“, meint er rückblickend. Schwarz schließlich ist einfach die Übersetzung seines Nachnamens aus dem Sorbischen.

Mindestens einmal im Monat sitzt er im Flugzeug auf dem Weg zu Auftritten - Nevada, Rio, San Francisco bis Mitte September -, hat 30, 40 CDs vorzuweisen - so genau weiß er das nicht -, ist ab und an als DJ und Geiger im halleschen Szeneklub „Charles Bronson“ unterwegs, hat die Musik für einen Kinofilm geschrieben und auch das Projekt Familie ins Auge gefasst. „Ist angedacht“, lässt er auf die neugierige Frage wissen, redet dann aber viel lieber von dem Vollbart, den er gewöhnlicherweise trägt und nur für das Foto mit Arztkittel und Geige abrasiert hat.

Seine Geige: Die sieht mehr nach technischem Gerät als nach Musikinstrument aus, „erzeugt die Töne piezoelektrisch direkt am Steg“, spricht der Experte, um dann vom Sound, vom Effekte bauen und dem Aufpimpen mit mehreren anderen Geräten dazwischen zu fachsimpeln. Wenn er performt, kommen Rhythmus und Klang digital, die E-Geige aber erklingt stets live. Sie klagt und jubelt, erzeugt futuristische Töne und gibt seinen Stücken eine ganz persönliche Prägung. Man kann sich verlieren in seinen Klangwelten . . . (mz)