Leute von nebenan Leute von nebenan: Im Ruderboot mit Torten zum «Krug»
Halle/Saalkreis/MZ. - Weit über 40 Jahre betreibt Franz Schade das Café Schade in der Seebener Straße. Langsam denkt der 71-Jährige ans Aufhören. Er hofft, dass Sohn Ralf-Peter, der selbst ein Café in der Geiststraße hat, dann die Familientradition in der Seebener Straße
fortsetzt. Die Tradition ist Franz Schade wichtig, denn schließlich sind die Schades eine Konditorenfamilie mit einer über 500-jährigen Geschichte. 1586 wurde das erste Café der Familie in Wettin gegründet. Heute ist bereits die elfte Generation Konditor.
Franz Schade kann viele Geschichten erzählen, die sich um Familie und Handwerk ranken. Sein Großvater, Wilhelm Schade, beispielsweise war Ehrenbürger der Stadt Wettin. Und das nicht nur, weil er ein Gedicht auf seine Heimatstadt schrieb, sondern weil er dafür sorgte, dass die Stadt Wettin eine Wasserleitung und einen Eisenbahnanschluss bekam. Vorausgegangen war ein Besuch beim Kaiser in Berlin. Kindheitserinnerungen hat Franz Schade auch an die Feste auf der Burg Wettin, bei denen die Konditorei mit für das leibliche Wohl sorgte. Der sechsjährige Franz zog dann mit einem kleinen Handwagen los und sammelte das Besteck der Gäste ein.
Dass Franz Schade selbst Konditor wurde, stand für ihn außer Frage. Nachdem er 1957 seinen Meister gemacht hatte, war sein Vater aber noch zu jung, um das Café in Wettin an ihn abzugeben. Ohne ein Pfennig Geld vom Vater übernahm Franz Schade das ehemalige Café Hering in der Seebener Straße. Im Januar 1958 eröffnete er zusammen mit seiner Frau Brigitte das Geschäft. Damals wurde noch der heute baufällige Pavillon bewirtschaftet, auf dem der Schriftzug Café Wittekind steht. Abends setzte sich der Konditor selbst ans Klavier, um die Gäste musikalisch zu unterhalten. "Meist habe ich Volkslieder gespielt und die Gäste haben mitgesungen", erinnert er sich.
Jahrelang beliefert Schade den "Krug zum grünen Kranze" mit Kuchen. "Die Kuchenbleche und Torten habe ich auf den Handwagen geladen und bis zur Saale gezogen. Dort habe ich alles in einem Ruderboot verstaut und hab über die Saale gesetzt", erzählt er. Auch die Saaleschiffe versorgte er. Oft sei der Kuchen noch heiß gewesen, wenn er mit dem Handwagen zu den Dampfern zog. Erst vor Ort schnitt er den Kuchen. Einige Male sei es vorgekommen, dass auf dem Weg die halbe Ladung vom Handwagen kippte und die Mohrenköpfe über die Promenade rollten.
Zu DDR-Zeiten konnte sich Schade erfolgreich gegen eine Verstaatlichung wehren. Nach der Wende, als die Hallesche Konditorei aufgelöst wurde, ergatterte der Konditor bei einer Versteigerung eine alte Baumkuchenmaschine. Die ließ er von einem Schlosser wieder fit machen und bäckt heute damit noch zwei Mal die Woche einen 1,20 Meter langen Baumkuchen.