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Leichtathletik in Halle Leichtathletik in Halle: Michael Schrader arbeitet an seinem Comeback

Von petra szag 05.11.2014, 07:55
Leichtathlet Michael Schrader scheut sich auch nicht vor dem Angstgerät vieler Turner, dem Pauschenpferd. Wer es mit zehn Disziplinen aufnimmt, der stellt sich auch dieser ungewohnten Herausforderung.
Leichtathlet Michael Schrader scheut sich auch nicht vor dem Angstgerät vieler Turner, dem Pauschenpferd. Wer es mit zehn Disziplinen aufnimmt, der stellt sich auch dieser ungewohnten Herausforderung. Eckehard Schulz Lizenz

Halle - Eher erstaunt sieht er aus als sauer. „Da ist ein Loch“, entfährt es Michael Schrader, während er an seinem grellgrünen T-Shirt zuppelt. Ganz offensichtlich hat er gar nicht mitbekommen, wobei genau seine Sportkleidung denn nun Schaden genommen hat.

Doch das scheint auch nicht wichtig. Mit Kollateral-Schäden dieser Art muss man eben rechnen beim „Fremdgehen“. Denn Michael Schrader, einer der weltbesten Leichtathleten überhaupt, hat sein Training gestern Vormittag in die Turnhalle verlegt. Dort hangelt sich der Zehnkämpfer über Barren, Pauschenpferd und Bodenmatte quer durch den Geräte-Park.

Und stellt sich dabei erstaunlich geschickt an. „Das ist ein gutes Krafttraining für mich“, erklärt der 27-Jährige. Mit den Fachleuten um Ex-Europameister Matthias Fahrig weiß er zudem erstklassige Berater an seiner Seite. Denn was er jetzt am wenigsten gebrauchen kann, ist eine Verletzung durchs Turnen.

Leichtathletik-spezifisches Training ist tabu

Als sich die außergewöhnliche Trainingseinheit dem Ende neigt, stoßen sein Leichtathletik-Trainer Wolfgang Kühne und Trainings- und WG-Partner Rico Freimuth hinzu. Dieser hat auf der Außenlage des Sportkomplexes in der Koch-Straße gerade das Kugelstoßen und den Sprint geübt.

Für Schrader ist das Leichtathletik-spezifische Training noch immer tabu. Seit seinem Silbermedaillengewinn bei der WM letztes Jahr in Moskau muss er sich auf den Sprung- und Wurfanlagen sowie der Tartanbahn gänzlich zurücknehmen. Die Patellasehne in seinem linken Bein war stark entzündet und ausgefleddert. „Jetzt merke ich aber nichts mehr“, erklärt der gebürtige Duisburger und versichert auf die Frage nach Schmerzen fröhlich: „Nein, keine mehr.“ Nächsten Monat hofft er, von Münchens Arzt-Ikone Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt grünes Licht zu bekommen. Dann will er wieder für die zehn Prüfungen in der Königsdisziplin trainieren, die nach wie vor seine große Leidenschaft sind.

Alternatives Training für Fitness

Das Turnen hat ihm - neben Aquajogging und Radfahren - geholfen, trotz der Zehnkampf-Zwangspause in Form zu bleiben. „Wenn Michael physisch fit ist, braucht er sechs Monate, um den Anschluss herzustellen. Er ist technisch sehr stabil“, sagt Wolfgang Kühne über seinen Schützling. Die WM nächstes Jahr ist also nicht unrealistisch. Auch wenn Schrader sich noch ein wenig in Geduld üben muss.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie es für Michael Schrader in den nächsten Wochen weitergeht.

Doch darin hat er ja eine gewisse Übung. Schon einmal hatte er zweieinhalb Jahre keinen Zehnkampf bestreiten können. Nach Platz zehn bei Olympia in Peking musste er immer wieder wegen Fußproblemen pausieren. Das mit der Geduld war also auch für Schrader ein Lernprozess.

Zum Topteam des Deutschen Leichtathletikverbandes gehören sowohl Michael Schrader als auch Rico Freimuth. Für beide Zehnkämpfer stehen als Saisonhöhepunkt im vorolympischen Jahr 2015 die Weltmeisterschaften vom 22. bis 30. August im Nationalstadion in Peking an. Schrader, der in Halle trainiert, aber für den SC Hessen Dreiech startet, hat eine Bestleistung von 8 670 Punkten zu Buche stehen. Freimuth vom SV Halle schaffte bereits 8 488 Zähler.

„Wenn er noch einmal Olympia sehen will, dann ist das seine einzige Chance“, sagt Wolfgang Kühne nüchtern. Beim Trainingscamp vom Mittwoch an bis Sonntag in Kienbaum ist Schrader noch nicht wieder mit dabei.

Als nächstes Bundeswehrlehrgang

Und auch das vom Deutschen Leichtathletikverband geplante Trainingslager der Nationalmannschaft ab 7. Dezember in Südafrika ist für den Wahl-Hallenser Schrader kein Thema. Denn auf den Sportsoldaten wartet noch in diesem Jahr ein Bundeswehrlehrgang. „Lieber jetzt als nächstes Jahr“, sieht das Wolfgang Kühne ganz praktisch. Er hegt die Hoffnung, dass Schrader Weihnachten zu seiner Trainingsgruppe stößt.

Körperbeherrschung

Das ist dann zweifellos auch für die anderen der Truppe ein Gewinn. Denn erfahrungsgemäß trainiert es sich gemeinsam leichter, dann können sich Schrader und Freimuth wieder gegenseitig pushen. So wie sie es am Ende auch in der Turnhalle tun. Nicht nur, um - ganz augenscheinlich - Spaß zu haben. Das Gerätturnen gibt ihnen noch viel mehr. „Das ist gut für die Körperbeherrschung“, erklärt Kühne. Speziell beim Stabhochsprung ist die zum Beispiel Gold wert.

Und ebendieses haben Schrader und Freimuth als Ziel. Dafür kann man auch schon mal ein T-Shirt opfern. (mz)