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Kurt-Wabbel-Stadion Kurt-Wabbel-Stadion Halle: Neubau der HFC-Arena stand auf der Kippe

Von Hendrik Kranert-Rydzy 22.11.2010, 19:47
Die Animation des Architekturbüros Hyder Consulting bietet einen Blick in das neue Stadion: den Erdgas Sportpark.
Die Animation des Architekturbüros Hyder Consulting bietet einen Blick in das neue Stadion: den Erdgas Sportpark. ARGE Papenburg/Beton & Rohbau Thymian

Magdeburg - Am Gesundbrunnen in Halle rattern die Bagger, drehen sich die Kräne im Nieselregen. Novembergrau - doch für den halleschen Fußball und speziell die Anhänger des Halleschen Fußballclubs HFC ist die Baustelle weit mehr als ein Lichtblick: An der Stelle des ehemaligen Kurt-Wabbel-Stadions entsteht ein neuer Fußballtempel.

Für manchen Hallenser grenzt das nach jahrelangem Gezerre an ein Wunder. Der Bau war äußerst umstritten - und blieb es bis zuletzt, wie ein Blick in die Akten zeigt. Mehr noch: Nur dank eines politischen Kraftaktes gibt es die Stadion-Baustelle heute. Eines Kraftaktes, der nach Meinung nicht weniger Eingeweihter die Grenze des rechtlich Machbaren bedenklich streift.

An den Entscheidungen Beteiligte wie etwa Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD) sprechen denn auch gern von einer "politischen Entscheidung" pro Stadion. Band drei der Akte "Stadion Halle" kündet denn auch auf Seite 69 von einer seltsamen Basta-Mentalität.

Da nämlich weist Erben den Präsidenten des Landesverwaltungsamtes, Thomas Leimbach (CDU), an, den Weg für die Finanzierung des Neubaus freizumachen. In typischem Beamtendeutsch, versteht sich: "Sehr geehrter Herr Leimbach, zu der offenen Frage des Einflusses der Genehmigungsfähigkeit des Haushaltes 2010 (der Stadt Halle, d. Red.) auf die noch abzugebende kommunalaufsichtliche Stellungnahme informiere ich sie dahingehend, dass eine Verbindung nicht herzustellen ist." Geschrieben im Mai 2010, wenige Tage vor dem geplanten Baubeginn.

Damit waren quasi mit einem Federstrich alle Bedenken und Vorbehalte gegen das Vorhaben vom Tisch. Doch die gab es zur Genüge. Nicht nur im Landesverwaltungsamt, auch im Sozialministerium. Immerhin ging es um Millionen, um Prioritäten und Fachkompetenz. Andererseits aber auch um politische Glaubwürdigkeit.

Das zu verstehen muss man einige Monate, ja Jahre zurückblicken. Seit Jahren ist Halles Fußball viertklassig. Ebenso wie jener in Magdeburg - das Beste, was Sachsen-Anhalt zu bieten hat. Doch während an der Elbe zügig ein Stadionneubau in Angriff genommen wurde - inzwischen wird in dem Schmuckkästchen längst gespielt - rang Halle um Fassung und mit der Frage: Können wir uns so etwas überhaupt leisten? Es wurde diskutiert. Im Stadtrat hoch und runter. Und: ohne Ende. Auch diejenigen, die mit dem Fußball nicht viel am Hut hatten, wünschten sich endlich eine Entscheidung. Mit jedem Tag der Unentschlossenheit wuchs in Halle das Gefühl, im Gegensatz zu Magdeburg bekomme man an der Saale einfach nichts hin.

In dieser Zeit war es wie eine Seelenmassage, dass Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) jedem, der es hören wollte, wieder und wieder versicherte, das Land halte einige Millionen an Fördermitteln bereit. Für den Fall, die Stadt erledige endlich ihre Hausaufgaben in Sachen Konzept und Eigenanteil.

Der Mansfelder Bullerjahn wusste als Freund des HFC um das marode Wabbel-Stadion. Und er wusste um die Sehnsucht nach Selbstbestätigung in Halle. Jahr für Jahr brachte er es fertig, das Geld in diversen Haushalten durch den Landtag reservieren zu lassen. Auch im aktuellen Doppelhaushalt 2010 / 11 fand sich der Posten.

Doch dann schrillten die Alarmglocken. Am 29. Dezember 2009 schreibt Sozialstaatssekretärin Beate Bröcker Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (beide SPD) einen Brief, in dem unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass der Antrag der Stadt auf Gewährung von Fördermitteln aus der Sportförderung nicht genehmigungsfähig sei. Es fehle für das Stadion das Alleinstellungsmerkmal, es fehle die Landesbedeutung, es fehle die Stellungnahme der Kommunalaufsicht und es fehle ein nachvollziehbarer Finanzierungsplan.

Zwar reichte die Stadt im Januar Unterlagen nach. Doch erneut sind die Papiere zu dünn, befinden Vertreter von Sozial- und Finanzministerium sowie des Landesbaubetriebs Mitte Februar: "Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Unterlagen gegenwärtig noch nicht ausreichen, um den Ersatzneubau ... zu bewilligen." In Halle ist man entsetzt. Die Stadt verweist "auf einen hohen Erfolgsdruck, unter dem die Stadtverwaltung steht" und auf "Gespräche auf Ministerebene".

Spätestens da muss Bullerjahn klar geworden sein, dass er sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Denn zu diesem Zeitpunkt ist nach behördlichem Ermessen an einen Baustart im Mai kaum zu denken. Mehr noch: Der Himmel über der potenziellen Baustelle verfinstert sich weiter, das Projekt droht gänzlich zu scheitern. Denn auch das Landesverwaltungsamt sagt nein. Und fügt als Kommunalaufsicht einen weiteren Grund hinzu: Der malade Haushalt von Halle.

Seit Jahren drängt Behörden-Chef Leimbach die Stadt zum Sparen. Doch das strukturelle Defizit stieg von rund 14 Millionen im Jahr 2009 auf über 50 Millionen Euro in diesem Jahr. Leimbach will folglich den Haushalt 2010 nicht genehmigen. Die Crux: Nach Ansicht des Amts-Präsidenten ist ein genehmigter Haushalt zwingende Voraussetzung für eine Genehmigung des Stadionneubaus.

Es sei kein Sparwillen bei der Stadt zu erkennen, statt dessen versuche die Oberbürgermeisterin mit politischem Druck den Stadionneubau zu erzwingen. Szabados weist das heute weit von sich: Seit Jahren habe man das Land davon zu überzeugen versucht, dass das alte Stadion eine reine Geldvernichtungsmaschine sei und es eines kleineren Neubaus bedürfe. Das Problem aber sei gewesen, dass das in der Magdeburger Bürokratie niemanden interessierte: "Das Hobby der Ministerialen war nicht unbedingt das Kurt-Wabbel-Stadion."

Der Stadion-Neubau hängt am Ende des Winters am sprichwörtlichen seidenen Faden. Da hilft nur noch ein Trick. Die Projektfinanzierung wird der Investitionsbank zur Bearbeitung übergeben. Das hat für das Land zwei entscheidende Vorteile. Es ist die Sorge um die Förderrichtlinie los und bei später auftretenden Problemen müsste bei der Investitionsbank, einer Gesellschaft des Landes, nachgefragt werden. Die aber kann sich aufs Bankgeheimnis zurückziehen.

Der Weg wird gegangen, maßgeblich auf Bullerjahns Drängen. "Wenn ich keinen Druck gemacht hätte, wäre die Sache gescheitert", sagt der Finanzminister. "Am Ende war das aber eine gemeinsame Entscheidung von uns, dem Bau- und dem Sozialministerium."

Doch noch immer ist nicht alles in Butter. Die Investitionsbank spielt plötzlich nicht mit. Sie verlangt - wie auch vom Sozialministerium gefordert - eine "positive kommunalaufsichtliche Stellungnahme". Vom Landesverwaltungsamt. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Fördermittelübergabe für den 21. Mai terminiert ist. Es gilt zu handeln.

Das Innenministerium - das dem Verwaltungsamt übergeordnete Haus - kommt ins Spiel. Der Büroleiter von Innenminister Holger Hövelmann (SPD) setzt eine Mail ab - mit "hoher Dringlichkeit" und dem Hinweis, beim Landesverwaltungsamt darauf zu dringen, dass am 21. Mai die Stellungnahme vorzuliegen habe. Aber Leimbach weigert sich weiter.

Da greift Innenstaatssekretär Erben ein und formuliert das, was auf Seite 69 der Akte "Stadion" festgehalten ist. Im Landesverwaltungsamt wird das zunächst als Aufforderung verstanden, eine positive Stellungnahme abzugeben. Leimbach ist nicht im Hause.

Als er davon erfährt, kassiert er die Stellungnahme und lässt eine negative verschicken. Es ist der 19. Mai 2010. Zwei Tage später erfolgt dennoch die Fördermittelübergabe. Am 8. Juni stimmt das Innenministerium dem Bewilligungsbescheid vorbehaltlos zu.