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Nominiert für den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ Kröten tragen und Bäume setzen für den Naturschutz

Seit 40 Jahren engagiert sich der Hallenser Wolfgang Schuster für die Umwelt in Halle. Die Stasi verhörte ihn wegen einer Aktion an der Saale 1989. Schuster machte weiter - bis heute.

Von Silvia Zöller Aktualisiert: 15.05.2024, 14:02
Wolfgang Schuster von der  Ökologischen Arbeitsgruppe Halle hat auch neue Sockel für die Heideskulpturen angefertigt.
Wolfgang Schuster von der Ökologischen Arbeitsgruppe Halle hat auch neue Sockel für die Heideskulpturen angefertigt. (Foto: Silvia Zöller)

Halle/MZ. - Wenn Wolfgang Schuster durch die Heide fährt, ist er in seinem Element: Hier hat er bei Baumpflanzaktionen mitgemacht, hier hat er neue Sockel für die Heideskulpturen angefertigt, hier hat er einen Teich rekultiviert. Wenn da nicht noch die Saale wäre, die ihm ebenso am Herzen liegt. „Ich bin alle 14 Tage auf dem Forschungsschiff an der Saale und nehme Wasserproben“, sagt er. Das ist natürlich noch nicht alles: Der 66-Jährige bereitet gerade eine Ausstellung zur Situation der Saale in der DDR und nach 1990 vor – die wird zum Langen Tag der Stadtnatur Ende Mai am Peißnitzhaus zu sehen sein.

Für diese und zahllose weitere Aktivitäten in Sachen Umweltschutz seit 1984 ist Wolfgang Schuster jetzt für den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ vorgeschlagen. „Wenn einer den Preis verdient hat, dann ist es der waschechte Hallenser Wolfgang Schuster“, sagt Wolfgang Kupke, der in Halle vor allem als Motor des Vereins „Freunde der Stadtbibliothek Halle“ bekannt ist.

Beim Umwelttag 1989 machte die Gruppe auf die Saale aufmerksam.
Beim Umwelttag 1989 machte die Gruppe auf die Saale aufmerksam.
(Foto: Berg)

„Mit der Geburt unserer Kinder habe ich mich für Umweltschutz interessiert“, sagt Schuster. „Da musste was passieren, es ist unsere Verantwortung für die nächste Generation.“ 1984 trat er als 26-Jähriger der gerade gegründeten Ökologischen Arbeitsgruppe Halle bei. Für den Agraringenieur sei damit die Berufskarriere vorbei gewesen: „Ich musste seitdem Maschendraht mit Teer streichen“, berichtet er. Er galt fortan als „feindlich negative Person“, die den Staat in Frage stellt.

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Doch die 20 bis 30 junge Menschen starke Gruppe machte unbeeindruckt weiter: Mit Protestplakaten beim Laternenfest oder beim selbst ausgerufenen Umwelttag 1989. „Wir haben nur die Angel in die Saale gehalten, das war die Provokation für den Staat“, so Schuster. Alle „Angler“ wurden abgeholt, verhört, aber dann auch wieder freigelassen. Es gab die Androhung von Ordnungsstrafen, die aber nicht vollzogen wurden. „Damals sind bereits viele nach Ungarn ausgereist, es war eine Endzeitstimmung“, erinnert sich der Hallenser. Für ihn habe immer festgestanden, im Land zu bleiben und sich für die Umwelt einzusetzen. Für Bäume, Kröten, die Saale – bis heute.

Nach der Wende engagierte er sich für das Neue Forum und wurde als parteiloses Mitglied Stadtrat auf einem Platz der Grünen. Doch schon 1990 bekam er eine Anstellung im Team Umweltkontrolle, wo er bis zur Rente 2023 war. „Das Stadtratsmandat habe ich dann zurück gegeben.“

 Wolfgang Schuster mit einem Protestplakat beim  Laternenfest
Wolfgang Schuster mit einem Protestplakat beim Laternenfest
(Foto: Berg)

Hier konnte er sein Engagement nun auch beruflich ausüben, doch daneben gab es immer wieder ehrenamtliche Aktionen. Seit 35 Jahren kontrolliert er in der Laichzeit Krötenzäune an den Kreuzer Teichen und trägt Hunderte Kröten über die Straße. Oder besser trug: 2024 gab es keine Kröten, vermutlich durch die Trockenheit der vergangenen Jahre. Zu seinem 60. Geburtstag baute er eine steinerne Bank oberhalb des Amselgrundes und schenkte diese der Stadt. Als Rentner kaufte er aus Spendengeldern 180 Bäume, vorwiegend trockenheitsresistente Esskastanien, die er am Hang des Amselgrundes gepflanzt hat.

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Sorgen macht ihm derzeit aber der Zustand des Hertateichs in der Heide, der seit gut zehn Jahren trocken ist. „Jedes Gewässer ist wichtig“, sagt er und verweist auf den Umweltkreislauf. Sein Wunsch: Eine Rekultivierung, für die es sogar Fördermittel geben würde. Was die Gründe für das Austrocknen sein könnten, müssten Hydrologen klären. Schuster vermutete, dass die zahlreichen Sämlinge die Tonschicht zerstört haben, so dass der Teich undicht wurde. Die kleinen Bäume müsste man mit einem Bagger entfernen, den Boden verdichten und Wasser mit Wasserwagen anfahren. Geschätzte Kosten: weniger als 5.000 Euro. „Und der Nutzen für die Natur wäre riesig“, ist sich Schuster sicher.

Warum engagiert sich der sportliche Hallenser („Früher bin ich auch Marathon gelaufen“) auch nach Jahrzehnten immer weiter für den Umweltschutz? „Die Welt ist noch nicht in Ordnung, es gibt immer etwas zu tun“, sagt er ein wenig traurig. Denn Nachwuchs, den hat die Ökologische Arbeitsgruppe schon lange nicht mehr. „Es wäre schön, wenn junge Leute mitmachen“, wünscht er sich. Vergangenes Jahr beispielsweise habe er noch jemanden über die Freiwilligenagentur gefunden, der in Schusters Urlaub die Esskastanien gegossen hat. „Dieses Jahr hat sich niemand gemeldet“, bedauert er.