König Fußball fegt Halles Straßen leer
Halle/MZ. - Während sich Punkt 13.30 Uhr hunderte Fußballfans in den Kneipenmeilen Sternstraße und Kleine Uli, im Biergarten am Volkspark und am Thüringer Bahnhof, wo gut 4 000 Fans gezählt wurden, zur Übertragung des Spiels Deutschland gegen Serbien zusammenfanden, herrschte in der City totale Flaute. Nur wer wirklich arbeiten musste oder dem Hype um das runde Leder gar nichts abgewinnen kann, hockte Freitag nicht vor Leinwand oder Bildschirm.
"Ich dachte schon, heut ist Sonntag", kommentierte Fußball-Ignorant Klaus Jungmichel verdutzt seinen Weg durch die menschenleere Innenstadt. Dagegen fieberten in der übervollen, mit Dutzenden Flachbildschirmen bestückten Sternstraße Dejan Despot sowie Dominik und Ivica Vidovic abseits an einem Stehtisch mit. Als winzige Minderheit in der Masse schwarz-rot-gold kostümierter Fans drückten die Serben ihrer Mannschaft die Daumen - was ja dank des 1:0-Tores von Jovanovic für Serbien auch geholfen hat.
Bratwurst oder WM-Pizza, bei der die Wahl zwischen Pizza "Ballack" (Tomate, Salat, Jagdwurst, Paprika) und Pizza "Montenegro" (Kirschtomate, Champignons, Mozzarella, Rucola) stand, und jede Menge Bier gingen in der Sternstraße über den Tresen. Dazwischen jonglierten Kellnerinnen Tabletts voller Gläser durch die Menschenmenge, die es vor allem beim verpatzten Elfmeter von Poldi kaum auf den Plätzen hielt.
So gut wie Jürgen Meyer, der als Bahn-Angestellter Überstunden abbummeln durfte, um das Spiel nicht zu verpassen, hatte es Felix Körner nicht. Fußballtypisch mit Deutschland-Trikot und der Nationalflagge auf der Wange harrte der Student als Aushilfsverkäufer im Sporthaus Cierpinski aus, stets mit Seitenblick auf den großen Fernsehapparat. Doch Kunden kamen kaum. Bis auf Margrit Ilse. Die freute sich über freie Straßen - und ein paar neue Laufschuhe. "Sollen die anderen ruhig Fußball gucken, da kann ich in Ruhe anprobieren", so die Hobby-Joggerin, die ihren Einkauf nach Feierabend ohne Stress erledigen konnte.
Entspannte Atmosphäre auch im sonst meist übervollen Edeka-Markt in der Großen Ulrichstraße. "Wir haben hier noch Sekt gekauft für das Vorrundenspiel - und keine Schlange an der Kasse", so eine verblüffte Bettina Meissner, die das sonst, vor allem eben freitags, anders kennt. Auf wenn nach 93 Minuten Spielzeit dann doch nicht auf den Sieg angestoßen werden konnte - schön war es für die junge Frau dennoch, die deutsche Mannschaft gemeinsam mit Kollegen im Hof des Händel-Karrees anzufeuern.
Das hingegen blieb Anke Just verwehrt. Nicht ein Gast verirrte sich während des Spiels in das City-Café im Ritterhaus, so dass der jungen Kellnerin Zeit blieb, alle Tische des Eis-Cafés gründlich zu säubern. Anke Just trug es mit Fassung - und dankte ihren freundlichen Nachbarn vom Telefon-Laden, die sie stets mit Nachrichten über den aktuellen Spielstand auf dem Laufenden hielten.