88 Cent die Stunde Kindertagespflege in Halle (Saale): Betreuer arbeiten für nur 88 Cent die Stunde
Halle (Saale) - Kindertagespflegen sind für Eltern eine wichtige Alternative zur Kita. Die Anbieter fühlen sich allerdings wie Betreuer zweiter Klasse behandelt. Warum? Bei maximal fünf Kindern pro Tagesmutter blieben unterm Strich 1,18 Euro die Stunde vom Erziehungsbeitrag - rechnet Ines Liebegott vor.
Die Tagesmutter verzweifelt am vermeintlichen Zweiklassensystem zwischen Kita und Tagespflege. Nach Krankenversicherungsanteil und Rentenbeiträgen blieben 88 Cent vom Erziehungsbeitrag. 990 Euro brutto bei voller Auslastung. „Wir können so keinerlei Rücklagen bilden“, so Liebegott.
Dazu kommen Mehraufgaben: „Wir sind Erzieher, Leitung, Hausmeister, Koch und Klempner“, sagt Katharina Loth. Zeit und Aufwand, der nach der Arbeit betrieben wird. Loth ist selbst Tagesmutter und hat gemeinsam mit Ines Liebegott nun den Verein „Kindertagespflege für Halle“ gegründet. 35 Tageseltern gibt es derzeit in Halle.
Kindertagespflege in Halle (Saale): Mehrkosten bereiten Betreuern oft Sorgen
Würden mehr Sachkosten berechnet, könnte man davon vielleicht Miete, Strom oder eine Vertretung im Krankheitsfall bezahlen, aber die richten sich nach der Zahl der betreuten Kinder. Genau wie bei den Kitas übrigens auch. Doch bei denen geht die Rechnung augenscheinlich eher auf, wenn etwa in einem beheizten Raum mehr als fünf Kinder ihren Tag verbringen oder mal ein Herd kaputt geht.
Wird eine Tagesmutter krank, muss sie im Zweifel auch einen Beitrag an eine Kita zahlen, die die Gastkinder in der Zeit aufnimmt. Der Satz, den nicht jede Kita erhebt, sei aber mit 2,40 Euro pro Kind und Stunde viel höher als die Einnahmen, die eine Tagesmutter erwirtschaften könnte, wenn sie sie in der Zeit selbst betreut.
Tageseltern in Halle (Saale) haben Geldsorgen: Schon ein Kind weniger kann das Aus bedeuten
Wechselt ein Kind ganz in eine Kita ohne die vertraglichen Kündigungsfristen einzuhalten, müssen Tageseltern zur Not klagen, denn zwei Betreuungsplätze gleichzeitig unterstützt die Stadt nicht. Die Tagespflege bliebe am Ende meist auf der Strecke. Fatal, denn schon ein Kind weniger kann im Zweifel das Aus bedeuten. Unter diesen Umständen sei die Fluktuation recht hoch, manche Tageseltern schaffen das nur drei Jahre.
Kindertagespflege in Halle (Saale): Betreuer fühlen sich wie die zweite Wahl
Und neben allen Geldsorgen ist da dieses Zweite-Wahl-Gefühl. „Man bekommt den Eindruck, wir werden als Notlösung kommuniziert“, so Liebegott. Auf dem Elternportal der Stadt sind etwa neben zahlreichen Kitas nur vier Tagespflegen aufgelistet. Ein Vater erzählt, erst nachdem der soziale Dienst der Stadt keinen Kitaplatz in der Nähe der Familie auftun konnte, sei ein Zettel mit den Tagespflegen hervorgeholt worden. „Das ist uns als letzter Ausweg präsentiert worden.“ Als er später mit dem abgeschlossenen Vertrag beim Jugendamt aufgetaucht sei, sei ihm die Tagespflege madig gemacht worden.
Die Stadt verweist zum Thema auf die gängigen Richtlinien und Gesetze. Im KiföG des Landes ist die Tagespflege als „Alternative und Ergänzung“ aufgeführt. (mz)