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Huttenschule im Spagat  Huttenschule Halle im Spagat : Warum wählt "Schule ohne Rassismus" Populisten?

Von Tanja Goldbecher 14.06.2019, 12:51
Die Schüler der Huttenschule haben sich an einem Aktionstag mit dem Schicksal des deutsch-jüdischen Mädchens Anne Frank beschäftigt.
Die Schüler der Huttenschule haben sich an einem Aktionstag mit dem Schicksal des deutsch-jüdischen Mädchens Anne Frank beschäftigt. Silvio Kison

Halle (Saale) - Außen am Gebäude der Kooperativen Gesamtschule (KGS) „Ulrich von Hutten“ prangt ein großes Schild. Seit 2007 trägt die Einrichtung den Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. In dieser Woche haben Lehrer und Schüler mit einem „Anne-Frank-Tag“ auf die Verfolgung von Menschen während des Nationalsozialismus aufmerksam gemacht.

Umso widersprüchlicher erscheinen vor diesem Hintergrund die Ergebnisse der Juniorwahl, die kurz vor der Europawahl in der Gesamtschule durchgeführt wurde. Die rechtspopulistische AfD erreichte unter den Jugendlichen mit 31 Prozent die meisten Stimmen.

Auch in anderen halleschen Schulen gewann die AfD viele Stimmen

Auch in anderen halleschen Schulen gewann die AfD viele Stimmen. An der Integrierten Gesamtschule am Steintor erzielte die Partei zum Beispiel 16 Prozent. Das Wahlergebnis der Huttenschule hat jedoch besondere Aufmerksamkeit erregt.

In den vergangenen zwei Jahren gab es im Umfeld der Schule Probleme mit Roma, die das Schulgelände verschmutzten und Schüler belästigten. Vor kurzem hat Bildungsminister Marco Tullner (CDU) von der Stadt Maßnahmen gefordert, um die Schüler besser zu schützen.

Schulleiter: Wahlergebnis kann nicht nur auf die Probleme mit den Roma zurückgeführt werden

Laut dem kommissarischen Schulleiter Dirk Senftleben kann das Wahlergebnis jedoch nicht nur auf die Probleme mit den Roma zurückgeführt werden. „Das Wahlverhalten hängt auch stark mit der Prägung im Elternhaus zusammen“, sagt er. Zudem habe sich die Situation an der angrenzenden Schlosserstraße in den vergangenen Monaten zunehmend entspannt. Übergriffe habe es seit Langem nicht mehr gegeben. Viele der rumänischen Familien sind aus dem Wohnkomplex weggezogen. „In dem Brief von Bildungsminister Tullner spiegeln sich vor allem die Sorgen der Eltern wider“, fügt Senftleben hinzu.

Fragt man die Schüler, warum sie oder Mitschüler die AfD gewählt haben, gibt es verschiedene Ansätze. „Ich denke, einige haben nur aus Spaß ein Kreuz bei der AfD gemacht“, sagt eine Neuntklässlerin. In der Schule werde schließlich oft über Rassismus und Ausgrenzung gesprochen. Ein anderes Mädchen vermutet, dass auch die vielen AfD-Plakate, die zur Stadtratswahl Ende Mai im Umfeld der Schule hingen, eine Wirkung gehabt haben könnten. Im Kommunalwahlprogramm der AfD ist beispielsweise von „Multi-Kulti und ungesteuerter Massenzuwanderung“, von „deutlicher Überfremdung“, „Orientalisierung des Stadtbildes“ und einer „Zuzugssperre für Flüchtlinge“ die Rede.

Was macht eine „Schule mit Courage“ aus so einem Wahlergebnis?

Es bleibt die Frage: Was macht eine „Schule mit Courage“ aus so einem Wahlergebnis? Schulleiter Senftleben sieht darin vor allem die Chance, sich noch intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Die Schüler haben durch die Juniorwahl gemerkt, welchen großen Einfluss sie mit ihrer Stimme haben“, sagt er. Ihnen sei bewusst geworden, welche Konsequenzen ihr Wahlverhalten hatte – welcher Stempel der Schule dadurch aufgedrückt wurde. „Ein besseres Lehrstück in Sachen Demokratie gibt es fast nicht“, sagt Senftleben.

Eine ähnlich positive Sicht auf die politische Stimmung unter den Schülern hat auch Anna Manser, Leiterin des Schirm-Projekts der Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“. Zwei ihrer Sozialarbeiterinnen sind an der Huttenschule im Einsatz und betreuen Projekte wie den „Anne-Frank-Tag“ am vergangenen Mittwoch. „Die Juniorwahl an der Schule spiegelt den Querschnitt der Gesellschaft wider“, sagt Manser.

An der Projektarbeit mit den Schülern ändere das nichts. „Es ist wichtig, niemanden von einer anderen Meinung überzeugen zu wollen, zu überreden oder zu ignorieren“, sagt sie. Vielmehr komme es jetzt darauf an, mit allen Schülern ins Gespräch zu kommen und die Gründe zu verstehen, warum die Jugendlichen zum Beispiel die AfD gewählt haben. (mz)