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Abschied nehmen Hunderte Schorre-Fans zollen Halles bekanntesten Tanztempel die letzte Ehre

Bevor der Klub zum März 2022 schließen muss, kamen zum Tag der offenen Tür Hunderte Neugierige. Bei den meisten wurden sentimentale Erinnerungen wach.

Von Katja Pausch 09.11.2021, 10:30
 Tag der offenen Tür in der Schorre: Den   illuminierten Tanzsaal und das gesamte Haus haben rund 650 Neugierige besucht, zumeist viele Ältere.
Tag der offenen Tür in der Schorre: Den illuminierten Tanzsaal und das gesamte Haus haben rund 650 Neugierige besucht, zumeist viele Ältere. Fotos: Silvio Kison

Halle (Saale)/MZ - Ute Köhler ist mit ihrer Schwiegertochter gekommen, Jan Hauke mit seiner Kamera und Christine Röhr mit ihrem Mann Volker. Sie alle - und noch über 600 Neugierige mehr - haben an diesem späten Sonntagnachmittag einen Spaziergang zu einer der bekanntesten und beliebtesten Stätten ihrer Jugend gemacht: Die Schorre nahe des Rannischen Platzes - Ältere sagen immer noch „in der Philipp-Müller-Straße“ - hatte aus einem traurigen Anlass zu einem Tag der offenen Tür geladen.

Blicks ins legendäre „Genschman“ in der oberen Etage des Klubs. Auch dort hatte Klub-Betreiber Uwe Helm  die Disco-Beleuchtung „angeschmissen“.
Blicks ins legendäre „Genschman“ in der oberen Etage des Klubs. Auch dort hatte Klub-Betreiber Uwe Helm die Disco-Beleuchtung „angeschmissen“.
Silvio Kison

Hunderte zollen Schorre die letzte Ehre

„Spätestens zum 31. März 2022 gehen hier die Lichter aus“, blickt Uwe Helm, seit 32 Jahren im Haus und seit 18 Jahren Eventmanager des halleschen Klubs, in eine ungewisse Zukunft des Hauses, mit der die fast 150-jährige Geschichte des traditionsreichen Gebäudes aufgrund der Pläne der derzeitigen Eigentümer ein Ende finden wird. Denn nach aktuellem Stand soll das Gebäudeensemble zu einem Wohnprojekt umgebaut werden.

Von dem regelrechten Besucheransturm seien er und sein Team überrascht gewesen, sagt Uwe Helm, wenngleich er durchaus mit großer Resonanz gerechnet habe. Doch dass exakt 648 Besucher - coronabedingt wurde am Eingang mitgezählt - das Haus durchwandern würden, hätte er nicht gedacht. Gerade mal drei Stunden Schlaf habe er gehabt, da am Vortag eine Veranstaltung bis in den Morgen gelaufen sei. „Dann ist unsere Reinigungstruppe durch, und schon vor 15 Uhr waren die ersten da“, so Helm - vor allem „ältere Herrschaften“, die den Großteil der „Abschiedsbesucher“ ausmachen.

Rot angestrahlt präsentiert sich die Schorre, die eine lange und vor allem historisch bedeutsame Vorgeschichte hat - nicht nur als Tanzlokal.
Rot angestrahlt präsentiert sich die Schorre, die eine lange und vor allem historisch bedeutsame Vorgeschichte hat - nicht nur als Tanzlokal.
Silvio Kison

Schorre fester Bestandteil der Hallenser

Sie sind es auch, die in nostalgischen Erinnerungen schwelgen und „richtig sentimental“ werden. So wie das Pärchen, das sich vor über 50 Jahren in der Schorre kennengelernt habe und nun Goldene Hochzeit feiere, so Helm. Oder eben wie Ute Köhler, die, längst Rentnerin, das Haus noch aus den 80ern kennt. „Da kommen mir die Tränen“, sagt sie bewegt, und: „Da hängt ein Gefühl dran“. Auch für Petra Tell und Gerald Horst.

Das Paar hat sich zwar nicht in der Schorre kennengelernt, aber beide waren oft dort. „Ich hab hier 1974 Jugendweihe gehabt“, so Petra Tell, und ihr Partner erinnert sich, dass er ein Jahr später, zum Festival der Jugend, vor der Schorre einen Knüppelkuchenstand betreut habe. Später seien sie oft im „Genschman“ gewesen - umso größer die Freude der beiden, als Schorre-Chef Helm mit einem Stapel T-Shirts mit dem typischen „Genschman“-Logo auftaucht. „Herrlich, die ziehen wir gleich an“, so Petra Tell.

Petra Tell und Gerald Horst kennen  die Schorre schon seit den Siebzigern. Die roten  T-Shirts mit „Genschman“-Aufdruck sind für sie eine schöne Erinnerung.
Petra Tell und Gerald Horst kennen die Schorre schon seit den Siebzigern. Die roten T-Shirts mit „Genschman“-Aufdruck sind für sie eine schöne Erinnerung.
Silvio Kison

Hoffnung auf Petition zur Erhalt der Schorre in Halle

Auch Jörg Tittmann und Anne Seyfarth, die in den 90ern mit ihren jeweiligen Zwillingsgeschwistern Carsten und Uta die Schorre bevölkert haben, stauben Shirts ab. „Ich hab am Einlass gearbeitet“, sagt Jörg Tittmann, der damals extra „ein bisschen Karate“ gelernt und zu Hause noch einen Veranstaltungsplan von ’99 rumliegen hat.

„Die Schorre muss bleiben“ - darin sind sich wohl alle an diesem Tag einig. Wie es weitergeht, weiß Helm noch nicht. Auf alle Fälle will er die Fans von damals noch einmal einladen. Und wer weiß - vielleicht zeigt die Petition, über 6.000 Mal unterzeichnet, doch noch Wirkung.

Ein paar Erinnerungsfotos will Jan Hauke, in den 90ern oft hiergewesen,  von dem historisch interessanten Gebäude und seiner tollen Innenarchitektur schießen.
Ein paar Erinnerungsfotos will Jan Hauke, in den 90ern oft hiergewesen, von dem historisch interessanten Gebäude und seiner tollen Innenarchitektur schießen.
Silvio Kison