Gebet und Rockmusik Hunderte Motorradfahrer bei Bikergottesdienst in Halle

Halle (Saale) - Nein, er sei nicht gläubig. „Im Alltag eigentlich überhaupt nicht“, gesteht Harald Schulz. „Nur wenn ich aufs Motorrad steige, dann werde ich ein wenig gläubig, so wie wahrscheinlich fast alle Motorradfahrer“, sagt er, und grinst. Es ist Samstagmittag und die Sonnenstrahlen funkeln in den 600 Motorrädern, die mehr als 1.000 Biker aus Halle und Umgebung auf dem Hallmarkt abgestellt haben. Es ist kein klassisches Motorradtreffen mit anschließender Ausfahrt, sondern in erster Linie ein Gottesdienst - ein ganz besonderer, für Biker.
Diskussion um Sonntagsfahrverbote für Motorräder
Normalerweise findet der im Frühjahr in der Mötzlicher Kirche statt, musste wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr jedoch verschoben werden. Doch dieses erhebende Treffen, das Treffen mit der eng verbundenen Zweirad-Gemeinschaft wollen sich die Biker nicht nehmen lassen. Außerdem ist ihre Stimme derzeit wichtiger denn je, denn im Bundesrat wird über Sonntagsfahrverbote für Motorräder diskutiert - aus Lärmschutzgründen.
Auf die Bühne tritt Pfarrer Markus Blume, selbst Motorradfahrer, was unschwer an seiner Lederjacke und den Aufnähern darauf zu erkennen ist. „Ride with Jesus“, also „fahre mit Jesus“ hat er sich aufgenäht. Daneben: „Am 8. Tag schuf Gott den Biker“. „Lasst uns diesen Gottesdienst zusammen feiern, egal ob ihr an Gott glaubt oder nicht“, sagt Blume.
Gemeinschaft und Toleranz gegen Umweltschutz
Das hier wird keine normale Predigt, so viel steht fest. Und dann wird klar, was Harald Schulz damit meinte, gläubig sein wäre als Motorradfahrer nicht verkehrt. „Lasst uns jetzt an die denken, die im letzten Jahr von uns gegangen sind“, sagt der Pfarrer. Motorradfahren ist ein gefährliches Hobby, das wissen sie hier.
Fröhlicher geht es weiter.
Es geht um Umweltschutz und die drohenden Fahrverbote, gegen die sich Blume ausspricht. Es geht um die Gemeinschaft und Toleranz zwischen Auto- und Motorradfahrern. Mit viel Rockmusik endet der Gottesdienst und Blume bekommt - in Kirchen eher die Ausnahme - Applaus. Das sei ein erfolgreicher Gottesdienst gewesen.
Pfarrer fährt mit Motorrad zur Predigt
Immerhin habe er ihn ja auch 17 Stunden vorbereitet, sagt der Pfarrer, der als „Springer“ im evangelischen Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda arbeitet. Manchmal geht es für ihn auch mit dem Motorrad am Sonntag zu Predigt. Ob da ein Fahrverbot nicht gut wäre, dann hätte er vielleicht mehr Biker in der Kirche?
„Nee, nee“, sagt Blume. Von den Fahrverboten halte er gar nichts. Das sehen auch Harald Schulz und Jana Thomas so. Die beiden kennen sich nicht nur vom Motorradfahren. Jana Thomas war in der Berufsschule Schulz’ Schülerin.
Die meisten Biker seien sehr vernünftig
Zum Bikergottesdienst treffen sie sich jedes Jahr. „Absoluten Schwachsinn“ nennt die Fahrerin einer Suzuki Intruder die drohenden Fahrverbote. „Dann müsste man auch Autos stilllegen, da gibt’s schließlich auch laute“, wirft Schulz ein. Die meisten Biker seien sehr vernünftig. Wegen einiger weniger dürfe man nicht alle bestrafen.
Wie vernünftig die Teilnehmer des Gottesdienstes sind, zeigt sich bei der Abfahrt: Keine Straßenblockaden, keine hochdrehenden Motoren, kein Rasen. In einer langen Reihe und gesittet ziehen die Biker von dannen und hinterlassen den Hallmarkt besenrein. Ist das vielleicht so etwas wie das elfte Gebot? „Auf deinem Motorrad sollst du dich benehmen!“ (mz)