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Historikerin über Image der Stadt Historikerin über Image der Stadt: Halle ist schon lange keine "graue" Diva mehr

Von Detlef Färber 14.10.2018, 13:02
Ein beliebtes Fotomotiv auf dem Göbelbrunnen ist der „Rufer“. Aber wie lautet sein Ruf? Hat er etwa was mit dem Ruf der Stadt zu tun?
Ein beliebtes Fotomotiv auf dem Göbelbrunnen ist der „Rufer“. Aber wie lautet sein Ruf? Hat er etwa was mit dem Ruf der Stadt zu tun? Holger John

Halle (Saale) - Er ist ein Einzelkämpfer - und er ist eine der herausragenden Bronzefiguren der großen und großartigen Stadtgeschichte-Inszenierung auf dem Hallmarkt. Doch was heißt hier Geschichte?

Der Bildhauer Bernd Göbel hatte in den 1980er Jahren Historisches und Legendäres gemischt und in die Szenen gepackt, die nun auf dem Göbelbrunnen zusammen ein hallesches Jahrtausend repräsentieren. „Der Rufer“ heißt besagter Einzelkämpfer, weil er die Hand wie einen Klangtrichter vor seinem Mund hält - was ihn an diesem exponierten Platz quasi zu „dem Rufer von Halle“ macht. Und damit etwa gar zum hiesigen Pendant des viel zitierten Rufers in der Wüste?

„Halle entgeht dir nicht!“: Halles Historiker diskutieren über den Ruf der Stadt

Die Frage ist schon nahe dran an jener Themenstellung, der sich Halles Regionalhistoriker im November bei ihrem nächsten Tag der Stadtgeschichte widmen wollen. „Halle entgeht dir nicht!“ lautet das ebenso provokante wie vieldeutige Motto, hinter dem die dann tagesfüllende Frage nach dem „Ruf der Stadt“ - oder neudeutsch ihrem Image - steht. Eine Referentin wird dabei Ingrid Würth sein, promovierte Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Geschichtsinstitut der hiesigen Universität.

Ihr Fachgebiet ist das Mittelalter und ihr vitales Interesse im Bezug auf Halle gilt fast gleichermaßen der Gegenwart. Doch was ihrem Urteil noch zusätzliche Aufmerksamkeit sichern dürfte, ist die Tatsache, dass sie Halle teils von außen (als Zugezogene) betrachtet und teils schon als Hallenserin draufblickt - also: „Schaut auf diese Stadt“.

„Diva in Grau“: Das ist Halle laut der Forscherin schon lange nicht mehr

Aus Donauwörth stammend, und einst zum Studium an die Saale - freilich zunächst in Jena - gekommen, kennt sie durchaus auch noch den alten Ruf Halles als „Diva in Grau“. Der aber, so hat sie nun festgestellt, ist seinerseits längst Geschichte. Denn Halle mag ja vielleicht noch eine Art Diva sein - „aber ganz bestimmt nicht mehr grau“.

Damit wäre schon ein Beispiel für etwas Wesentliches genannt, das Ingrid Würth in Bezug auf Halle erkannt hat: Die Stadt sei „ein Superbeispiel“ dafür, dass sich ein Image auch öfter mal ändern könne - denn: „Wer arbeitet an einem Image mit“, fragt die Historikerin rhetorisch - und antwortet: „Wir alle!“

Was Studenten vor Jahrhunderten über Halle dachten

Wir alle, das sind auch immer wieder die Studenten - und waren jene Studiosi, die Halle in vergangenen Jahrhunderten nicht weniger als berühmt gemacht hatten. „Reichsweit tätig gewesene Leute im 18. Jahrhundert“ etwa trugen ihr „... in Halle studiert“ wie ein Ruhmesblatt mit sich herum.

Was sich aber schon knappe zwei Jahrhunderte später bei einem einst Kurzzeit-Hallenser etwas anders darstellt. Curt Goetz, einer der erfolgreichsten Theaterautoren der Nachkriegszeit, hatte in Halle zwar nur die Lektionen fürs Abitur gelernt (und nebenbei bei den schönen Hallenserinnen noch die der Liebe), doch hat er der Stadt zum Dank dafür einigen - wie zu befürchten ist - auch stark imagebildenden Hohn und Spott zuteil werden lassen. Kostprobe gefällig? „Halle an der Saale war eine reizende Stadt. Doch! Es soll zugegeben werden, dass kein Mensch, der die Große Ulrichstraße passierte, sich darauf versteift hätte, nun auch die Kleine kennenzulernen...“

Hallenser sind nicht missmutig oder „nüchtern“

Allerdings muss man diesem Fast-noch-Knaben von damals zugutehalten, dass er die „Kleine Uli“ ja noch nicht als Kneipenmeile kennen konnte - und erst recht nicht in saniertem Zustand, samt der ganzen sanierten Altstadt. Woran sich die Frage knüpfen ließe, womit die Hallenser all das Schöne verdienen?

Dazu fällt Ingrid Würth ein Lied von Georg Kreisler ein. „Wie schön wäre Wien ohne Wiener?“ Doch hat die Neu-Hallenserin nicht annähernd einen so galligen Blick auf ihre Mit-Städter, wie der Alt-Wiener ihn auf seine Mit-Wiener gehabt haben mochte. „Was andere missmutig oder patzig nennen“, könne ja auch „nüchtern“ heißen, meint Ingrid Würth mit Blick auf „den Hallenser“.

Der nüchterne Hallenser? Kann das ein Image-Sprung nach vorn sein? Was den Rufer vom Göbelbrunnen betrifft, gibt es an seiner Nüchternheit übrigens immer mal wieder Zweifel - dahingehend, dass seine Handstellung der eines Zechbruders, dem gerade die Flasche abhanden gekommen ist, nicht unähnlich scheint. Was gelegentlich zur Folge hat, dass Witzbolde diesem Rufer für den Fotografier-Moment ein Glas oder gleich eine Pulle in die Hand drücken. Und dann ...? Heißt es: „Zum Wohl, lieber Rufer!“ Und viel Erfolg bei deinem Ruf - zum Wohle der Stadt. (mz)

››19. Tag der hallischen Stadtgeschichte am Samstag, den 10. November, von 10-17.30 Uhr im Stadtarchiv, Rathausstraße 1. Der Eintritt ist frei.

Ingrid Würth in ihrem Büro im Geisteswissenschaftlichen Zentrum. Demnächst wird sie vor Stadthistorikern über Halles Image referieren.
Ingrid Würth in ihrem Büro im Geisteswissenschaftlichen Zentrum. Demnächst wird sie vor Stadthistorikern über Halles Image referieren.
Johannes Stein