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Heimliche Hallenser Heimliche Hallenser: Lyonel Feininger schuf Türme als Leuchttürme einer Stadt

Von Detlef Färber 10.08.2019, 16:00
Lyonel Feininger im Jahr 1932, schon gegen Ende seines Deutschlandaufenthalts
Lyonel Feininger im Jahr 1932, schon gegen Ende seines Deutschlandaufenthalts dpa

Halle (Saale) - Ohne diesen Gast hätte Halle was verpasst: Und nicht nur Halle selbst, sondern alle Welt, der Lyonel Feininger in einem knappen Dutzend Gemälden die Stadt an der Saale auf neue Weise vor Augen geführt hat: Einerseits als ein - selbst aus damaliger Warte betrachtet - unvergleichliches altstädtisches Juwel mit dem imposanten Ensemble aus fünf nahe beieinanderstehenden Türmen. Anderseits als eine Stadt der Moderne, die freilich nur er in dieser Weise in diesem Türme-Ensemble zu sehen und darzustellen vermochte.

Feininger hat auch mit seinen Halle-Ansichten die nun längst schon klassische Moderne in der Malerei geprägt. Und er hat die altehrwürdigen Türme damit zugleich umfunktioniert - zu etwas, das heute wohl unvermeidlich „Leuchttürme“ heißen würde: Symbole einer Stadt der Moderne, die in wirtschaftlicher wie in wissenschaftlicher Hinsicht als aufstrebend und potenziell boomend zu betrachtend war - seinerzeit (und vielleicht auch heute) - und in der dennoch die Tradition und die eigene Geschichte gelebt, ja geliebt werden konnte. Und inzwischen wieder kann.

Von 1930 bis 1931 war der damalige Dessauer Bauhausmeister von Halles Stadtrat eingeladen

Es waren die Jahre zwischen der Weltwirtschaftskrise und der Machtergreifung Hitlers. Von 1930 bis 1931 war der vormalige Weimarer und damalige Dessauer Bauhausmeister von Halles Stadtrat eingeladen und mit einem Arbeitsauftrag versehen worden - und mit einem Atelier, wie man es repräsentativer wohl kaum hätte finden können. Denn Feininger hatte seinen Malsaal im Torturmzimmer über dem Eingang zur Moritzburg.

Es war nur eine von zahlreichen Etappen des Deutschland-Aufenthaltes dieses US-Amerikaners. Lyonel Feininger, 1871 in New York als Sohn eines deutschstämmigen Musikerehepaares geboren, besuchte als Begleiter auf einer Konzertreise seiner Eltern deren alte Heimat Deutschland - und durfte (erst 16-jährig!) zwecks Ausbildung hierbleiben.

Er blieb lange - fast 40 Jahre - in Europa, ehe er 1937 endgültig nach New York zurückkehrte

Er blieb lange - fast 40 Jahre - in Europa, ehe er 1937 endgültig nach New York zurückkehrte, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1956 lebte und wirkte. In Europa und vor allem in Deutschland hat er seine entscheidenden Prägungen erfahren, die - ungewöhnlicherweise - mit der Arbeit als Karikaturist begannen, ehe sich Feininger ganz der ernsten Malerei widmete, ohne aber zu verzichten auf die Anwendung seiner Fähigkeiten und Neigungen zum Überzeichnen, Schärfen und also zum zuspitzenden Interpretieren all dessen, was zu zeigen er sich vorgenommen hatte.

Nach Halle kam und für Halle arbeitete Feininger also auf dem Gipfel seiner Meisterschaft und schaffte hier die fast schon abschließende Krönung des in Europa entstandenen Teils seines Lebenswerks. Vor seinem Weggang aus Deutschland musste der Weltberühmte freilich noch erleben, wie auch sein Werk hier als „entartet“ in der berüchtigten Ausstellung gleichen Namens diffamiert und vorgeführt wurde, woraufhin 378 Werke des Künstlers in der Nazi-Zeit aus Museen verbannt und aus Sammlungen konfisziert wurden.

Längst ist Feininger auch in der Moritzburg Halle wieder da

Doch längst ist Feininger auch in der Moritzburg wieder da - und hat mit seinen expressionistischen Halle-Ansichten und der Inszenierung der Markt-Türme in futuristischen Lichträumen etwas geschaffen, das für diese Stadt im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne im besten Sinn identitätsstiftend sein könnte und sollte.

Und obwohl Maler, hat Lyonel Feininger der Stadt auch noch einen der schönsten Sätze geschenkt, die je über sie geschrieben wurden: An Julia Feininger adressiert, notierte der Meister am 21. März 1931 mit Blick auf Halle: „Es ist merkwürdig, wie ich hier mit einem Male ein neuer Mensch bin - die Farbigkeit, die Atmosphäre, mein Raum - alles trägt mich und regt mich an. Die Konzentration ist vollkommen.“ (mz)

Das Bild „Roter Turm I“ im Landesmuseum vor dem „Feiningerblick“
Das Bild „Roter Turm I“ im Landesmuseum vor dem „Feiningerblick“
dpa