Handwerk Handwerk: Nur noch sechs Schuhmacher in Halle

Halle/MZ - Es riecht nach Leder in dem kleinen Geschäft an der Reilstraße. An den Wänden reihen sich Regale mit Halb- und Sportschuhen, Stiefeln und Sandalen. Seit 1974 führt Manfred Landgraf hier seinen Schuhladen und Reparaturbetrieb. Er ist einer der letzten seiner Zunft. Laut Handwerkskammer Halle macht derzeit allein im hiesigen Kammerbezirk lediglich ein einziger Lehrling eine Ausbildung zum Schuhmacher. 1994 gab es in Halle immerhin noch zwölf Schuhmacherbetriebe. Fast 20 Jahre später hat sich diese Zahl halbiert. Von den sechs verbliebenen Schuhmachern sind nur drei ausgebildete Schuhmachermeister.
Manfred Landgraf ist einer davon. Der 70-Jährige verkauft und repariert Schuhe. Hinter dem kleinen Laden befinden sich ein Lagerraum und eine kleine Werkstatt. Früher war das Reparaturgeschäft ertragreich, heute würde der Betrieb „ohne den Schuhverkauf nicht mehr funktionieren“, sagt der Ladenbesitzer. Allein von dem Reparaturservice könnten die wenigsten noch leben.
Dass sich das Berufsbild in den letzten Jahren stark verändert hat, weiß auch Juliane Ziegler. „Schuhmacher leben heute fast nur noch vom Verkauf der angebotenen Produkte, kaum noch von der Reparatur“, sagt die Sprecherin der Handwerkskammer Halle. Früher, zu DDR-Zeiten, hatte Manfred Landgraf deutlich mehr Reparaturaufträge. „Die Qualität der Materialien war schlechter und das Angebot kleiner. Somit ließen Kunden ihre Schuhe öfter reparieren“, sagt der Schuhmachermeister. Manchmal habe er bis zu 100 Kunden an einem Tag gehabt. Heute gibt es sogar Zeiten, „da habe ich nur zwei Reparaturaufträge pro Tag“, so Landgraf. Seiner Ansicht nach, würden vor allem junge Leute heute keinen Wert mehr darauf legen, ihre kaputten Schuhe wieder zu erneuern. Gleichzeitig entschließen sich nur noch die wenigsten den Beruf des Schuhmachers zu ergreifen. Manfred Landgraf ist Meister und kann ausbilden. In seiner ganzen Laufbahn hat er jedoch nie einen Lehrling gehabt.
Dass die Schuhmacherei ein Nachwuchsproblem hat, kann auch der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Schuhmacherhandwerks nicht von der Hand weisen: „Es ist nicht unbedingt ein Wunschberuf von jungen Leuten“, sagt Peter Schulz. „Wir könnten jährlich bis zu 300 Auszubildende mehr gebrauchen“, ergänzt der 58-Jährige. In Deutschland gibt es heute etwa noch 4 000 Schuhmacher. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es noch etwa 45 000, so Schulz.
Für Manfred Landgraf war immer klar, dass auch er den Beruf seines Großvaters und Vaters ergreifen will und noch kann er sich nicht vorstellen aufzuhören. Er überlegt jedoch, den Laden in Zukunft nur noch an drei Tagen in der Woche zu öffnen. Darüber hinaus setzt Landgraf große Hoffnungen in seinen Sohn, der gelernter Orthopädieschuhmacher ist. Vielleicht könne er das Geschäft irgendwann übernehmen. Denn „das Orthopädieschuhmacherhandwerk hat Zukunft“, ist sich Manfred Landgraf sicher. „Den einfachen Schuhmacher wird es bald nicht mehr geben.“