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Hallescher Bestseller-Autor Hallescher Bestseller-Autor: "Die DDR war ein Tollhaus aus Wünschen und Illusionen"

Von Detlef Färber 28.07.2018, 16:00
Zurück zu den Wurzeln: Der einstige Bestseller-Autor Reinhardt O. Hahn hat ein neues Romanprojekt - mit autobiografischen Anklängen.
Zurück zu den Wurzeln: Der einstige Bestseller-Autor Reinhardt O. Hahn hat ein neues Romanprojekt - mit autobiografischen Anklängen. Johannes Stein

Halle (Saale) - Der Mann ist angekommen: Das Lebenswerk von Reinhardt O. Hahn füllt nun nur noch einen Raum - und das in der eigenen Wohnung. Und in der langen Regalwand sind sogar noch ein paar Lücken frei: Platz für das, was gerade entstanden ist. Und für das, was noch kommen soll: ein Blick zurück auf die für ihn gerade noch greifbaren und spürbaren Generationen.

Der inzwischen 71-jährige hallesche Schriftsteller hat sich dafür auch von der eigenen Familiengeschichte inspirieren lassen - zu einem ambitionierten Jahrhundert-Projekt: Viel Vergangenheit liegt da zur Bewältigung bereit  - so auch jene Etappe namens DDR, für die Hahn schon mal einen Arbeitstitel hat: „Die Zukunft war unser Land“.

Reinhardt O. Hahn: „Die DDR war ein Tollhaus aus Wünschen und Illusionen“

Und sie war einige Zeit auch sein Land - das per „Nationalhymne“ der Zukunft zugewandte Arbeiterparadies: „Die DDR war ein Tollhaus aus Wünschen und Illusionen“, sagt Hahn im Rückblick. Und, dass sie auch auch sein Tollhaus gewesen sei: Denn er war FDJ-Funktionär, Buna-Arbeiter und Brigadier, Parteigenosse, Kampfgruppen-Kämpfer - das volle Programm!

Und er war bei alledem dennoch ein eigenständiger und eigenwilliger Zeitgenosse, was damals schnell zu ernsten Konflikten und Konsequenzen führen konnte - und in seinem Fall auch prompt geführt hat. Und zu einem Absturz beruflicher und privater Art.

Reinhardt O. Hahn begann zu trinken - und zu schreiben

Hahn begann zu trinken - und zu schreiben. Er schaffte in dieser Zeit ein Studium am Literaturinstitut in Leipzig: Und schaffte es, den Alkohol zu besiegen: Datum für letzteres ist der 14. Januar 1982. Hahns DDR-Bestseller-Buch „Mein letztes erstes Glas“, erschienen im Jahr 1986 , erzählt eindringlich davon: Von einem echten Tabu-Thema dieser Zeit nebenbei gesagt, schließlich konnte es in der „besten DDR der Welt“, wie das Land damals bitter sarkastisch von vielen seiner Einwohner genannt wurde, eigentlich keinen Grund geben, Kummer zu ersäufen.

Auf den damit schnell erfolgreichen und anerkannten Autor wartete aber mit der Wende von 1989 eine weitere Zäsur, in Gestalt des weitgehenden Zusammenbruchs des Literaturbetriebs im Osten.

Reinhardt O. Hahn gründete einen eigenen Verlag

Doch Hahn zeigte abermals Steher- und Nehmerqualitäten und gründete fast unmittelbar einen eigenen Verlag (zunächst mit Kompagnon), der „Juco“ und später Projekte-Verlag hieß. Hahn spezialisierte sich vor allem auch auf die Herausgabe biografischer und autobiografischer Texte und hat damit auch geholfen, ein gutes Stück regionaler und überregionaler Zeitgeschichte festzuhalten und zu bewahren.

Rund 2.000 Bücher, sagt Reinhardt O. Hahn rückblickend, habe er lektoriert. Das Unternehmen samt Druckerei in Halle und später in Eisleben wuchs, wurde ein Familienunternehmen - und konnte sich doch nicht halten, musste durch eine Insolvenz gehen.

Reinhardt O. Hahn: Schreiben als Berufung und Passion

Für Gründer Reinhardt Hahn ein Tiefschlag einerseits, aber anderseits die Chance, nun zu seiner eigentlichen Berufung und Passion, dem Schreiben, hauptsächlich zurückzufinden - und sich einem altersgemäßen Groß- Projekt zu widmen. Für das, was er nun tut, reicht das eine - freilich mit Büchern vollgestopfte - Zimmer in seiner Innenstadtwohnung völlig.

Der erste Roman seiner Romantrilogie ist übrigens soeben erschienen. Als eine Geschichte, deren Klammer die Beerdigung der Mutter des Erzählers ist - eine fast hundert Jahre alt gewordene „Jahrhundertfrau“. Los geht es mit deren frühen Erinnerungen, mit der Zeit des aufkommenden Faschismus.

Reinhardt O. Hahn: Aufkommender Rassenwahn der Nazis

Erzählt wird in Teil eins die Geschichte einer Familie, die vom aufkommenden Rassenwahn der Nazis betroffen war. Von einem Vater, der versucht, die Spur der jüdischen Herkunft seiner Frau (und Frau seiner Kinder) mit Blick auf die mörderischen Nürnberger Rassegesetze zu verwischen. Was er dabei erlebt und zu welch dramatischen und tragischen Verstrickungen auch in eigene Schuld das führt, ist in dem Auftakt-Roman der Trilogie unter dem Titel „Was soll mir eure Schuld“ auf 350 Seiten zu lesen.

Der dritte Roman soll die Familienstory bis in die Gegenwart weiter erzählen - und alte Schuld bleibt dabei ein Hauptthema.

››Reinhardt. O. Hahn: „Was soll mir eure Schuld“, Roman, Projekte-Verlag Halle, 17,50 Euro. (mz)