Halles Boxer Argishti Terteryan Halles Boxer Argishti Terteryan: Welche Chancen sich mit dem deutschen Pass auftun

Halle (Saale) - Als ihn die Nachricht ereilte, da schossen Argishti Terteryan die Tränen in die Augen. Dieser harte Hund, der Haken und Geraden wegsteckt ohne mit der Wimper zu zucken, wurde in diesem Augenblick von seinen Gefühlen übermannt. Wie lange hatte der Boxer auf die Bestätigung gewartet, dass seine Einbürgerung „durch“ ist.
Am Dienstagabend nun nach dem Training im Kreuzvorwerk konnte ihm Gert Fröhlich sagen, dass endlich alle Formalitäten geklärt seien und er die Urkunde am Freitag im Ratshaus überreicht bekommen werde. Der frühere Meisterboxer und langjährige Mitarbeiter von Terteryans Verein SV Halle hatte sich mit dafür eingesetzt, dass dessen aufreibender Kampf ein glückliches Ende fand.
Deshalb war Fröhlich drei Tage später auch dabei, als Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) dem Sportler den Eid abnahm und die Papiere aushändigte. Wie auch andere, die sich für Halles Olympiahoffnung immer wieder stark gemacht hatten.
Terteryan nach Einbürgerung: „Jetzt kann es losgehen“
„Jetzt“, sagt Terteryan nach dem offiziellen Akt bei Halles Stadtoberhaupt erleichtert, „kann’s losgehen“. Was er meint: Kann er bei den deutschen Meisterschaften Ende Juli in Berlin überzeugen, dann wäre das eine erstklassige Empfehlung für einen WM-Start im September im russischen Jekaterinburg.
Und natürlich hat der Fliegengewichtler auch Olympia 2020 im Hinterkopf. Die Zeit, das weiß der 52-Kilo-Mann, ist knapp. Die Trainingslager der Nationalmannschaft sind - bislang ohne ihn - eingetaktet. Doch es scheint nicht unmöglich, noch auf den Zug aufzuspringen. Erst recht nicht mit dem Rückenwind, den der 20-Jährige gerade verspürt.
Seit 2016 hatte der internationale deutsche Juniorenmeister sämtliche Titelkämpfe im Welt- und europäischen Maßstab verpasst. „Das war extrem frustrierend“, sagt der Hallenser. Lange schon fühlt sich der in Aragac geborene Terteryan in der Saalestadt zu Hause. Nicht nur wegen Freundin Vivien. Er war noch klein, als seine Familie aus Armenien nach Deutschland übersiedelte. In Schönebeck hatte er das Boxhandwerk von der Pike auf gelernt. 2010 wurde Terteryan an die Sportschule Halle delegiert.
Terteryan konnte ohne Pass auch beruflich nicht durchstarten
Doch die so hoffnungsvoll begonnene Karriere wurde jäh gestoppt. Denn für die Erwachsenenklasse gilt: Ohne deutschen Pass kein Einsatz für Schwarz-Rot-Gold. Einzig bei Länderkämpfen lassen das die Regularien zu. Im April hatte Terteryan in Polen beim Mannschaftsduell mit den Gastgebern seine Klasse nachweisen können. „Das hat mir Mut gemacht“, sagt Terteryan.
Zwischenzeitlich, das gibt der Sportler zu, hatte er diesen fast verloren. Nach dem Schulabschluss 2015 konnte er beruflich nicht durchstarten. Weil ihm der Pass fehlte, war nach einem Jahr Praktikum bei den Stadtwerken Schluss. Bis er 2018 seine Ausbildung an der Polizeischule in Aschersleben beginnen konnte, überbrückte der Boxer die Zeit als Übungsleiter und Helfer bei seinem Verein.
Dort versuchten in den letzten fünf Jahren viele, ihrem SV-Gefährten bei den Behördengängen zu unterstützen. Dass er nicht nach Armenien fahren und sich die benötigten Dokumente besorgen konnte - Terteryan wäre zum Wehrdienst eingezogen worden - machte es nicht einfacher. „Für die Hilfe“, sagt Terteryan, „bin ich allen dankbar“. Das gilt auch für die Polizeischule, die ihm Trainingsmöglichkeiten gewährt.
Auch deshalb ist Terteryan in Form. Nächste Woche geht’s noch zu einem Trainingslager nach Frankfurt, wo Halles Ex-Trainer David Hoppstock nun arbeitet. Und danach schlägt die Stunde der Wahrheit: als Deutscher bei der deutschen Meisterschaft. (mz)