Halle Halle: Wohnen in "Betten-Paris"

HAlle/MZ - Das Fichtenholz für den großen Fachwerk-Getreidespeicher am Domplatz wurde im Harz geschlagen und geflößt. So um 1765 muss das gewesen sein, wie die Untersuchungen des Holzes gezeigt haben. Die hallesche Architektin Claudia Cappeller hat den alten Speicher erst vor rund zwei Jahren gekauft und dann saniert. Eins von Halles schönsten Fachwerkhäusern ist damit aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, ja, gerettet. Auf den langen Speicherböden sind zwischen den alten Balken und Holzdecken sieben ungewöhnliche Wohnungen entstanden. Auch der Gewerberaum mit großem Schaufenster, in dem 2009 die bekannte „Galerie am Domplatz“ aufgegeben wurde, ist saniert. Hier könnte nun ein Café einziehen.
Fast 100 Jahre Firmengebäude
Wohnen im „Betten-Paris“. So werden die Hallenser den alten Speicher mit den Backsteinen und den grauen Fachwerk wohl noch sehr lange nennen. Fast 100 Jahre war die dreiflügelige Hofanlage am Domplatz Sitz der Firma „Betten-Paris“. Der Speicher stand zehn Jahre lang zum Verkauf. Aber niemand wollte das Wagnis eingehen, einen Fabrikgebäude dieser Größe, ein Einzeldenkmal vor allem, aufwändig zu sanieren und mit moderner Wohnungen denkmalgerecht auszustatten. Das Projekt galt vielen als zu teuer, die Wohnungen damit als unvermietbar. Claudia Capeller und ihr Mann sind dieses wirtschaftliche Wagnis eingegangen. In gerade eineinhalb Jahren haben sie das Haus für rund 2,2 Millionen Euro saniert.
Die ersten jungen Mieter sind bereits eingezogen, in den nächsten Tagen folgt eine Studenten-WG. Überhaupt, sagt Capeller, würden sich junge Leute, junge Familien für die Wohnungen interessieren. Das hänge auch mit den ungewöhnlichen Wohnungsgrundrissen zusammen, welche den Gebäude-Charakter eines Speichers erhalten haben: Die großen barrierefreien Wohnungen sind sehr offen, mit großen „Dielen“ als zentralem Raum, aber mit recht kleinen Zimmern. In jüngeren Industriebauten würde man von Lofts sprechen.
Mit der Sanierung hat Claudia Cappeller jetzt sogar den KfW-Award „Bauen und Wohnen 2013“ gewonnen. In dem Architektur-Wettbewerb hatte sich „Betten-Paris“ gegen 164 Bewerbungen durch gesetzt. Der Wettbewerb der KfW-Bankengruppe des Bundes stand unter dem Motto: „Entdeckt. Gestaltet. Wiederbelebt.“ - eine Punktlandung für den Speicher, den Claudia Capeller „entdeckte“, als sie nebenan ihre Geige reparieren lies, und dessen Bewohner inzwischen den Domplatz tatsächlich weiter beleben. Wichtiger noch als diese Anerkennung war jedoch, dass die Speicher-Sanierung den Förderpreis als Städte- und Modellprojekt der Investitionsbank Sachsen-Anhalt gewonnen hatte.
Förderung durch Investitionsbank
Rund ein Drittel der Baukosten wurde so gefördert. Nur so konnte es überhaupt realisiert werden, sagt Claudia Cappeller. Und auch deshalb lägen die Mieten zwischen 5,50 und 5,80 Euro für ein solches Sanierungsprojekt in einem recht günstigen Bereich. Den großen Schriftzug „Betten-Paris“, den die Hallenser so gut kennen, hat Architektin Cappeller übrigens nicht weggeworfen. „Die Buchstaben sind aufgearbeitet worden. Wir werden sie wohl irgendwie wiederverwenden. Aber wir wollen sie zu einem neuen Wort kombinieren!“


