Halle Halle: Wirtschaftsstudenten lernten in ehemaliger Kneipe
Halle (Saale)/MZ. - Erhard Kinzel kann sich selbst noch gut daran erinnern: Im Schankraum des ehemaligen Hotels "Stadt Hamburg" in der Großen Steinstraße hat er als Student der Uni Halle auch schon gespeist. Noch heute kann man das Schild "Restaurant" am Eingang lesen - bloß, dass es heute kein Bier und kein Essen mehr dort gibt. Vielmehr lernen die 3 000 Studenten der Wirtschaftswissenschaften seit 1952 in einer ehemaligen Wirtschaft und dem heute umgebauten Hotel "Stadt Hamburg".
Und genau dort wird am Mittwoch gefeiert - sogar mit Sekt und Brezeln. Anlass ist die Gründung des ersten wissenschaftlichen Lehrstuhls für Ökonomie in Halle vor 285 Jahren, also im Jahr 1727. Und ein zweites Jubiläum, nämlich die Gründung einer eigenen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Hochschule vor 60 Jahren.
Waren die Studenten vorher in anderen Instituten und Gebäuden der Juristen untergebracht, so hatten sie ab 1952 ein eigenes Domizil. Noch heute zeugt der restaurierte und reich verzierte Ballsaal des Hotels vom Zauber der rauschenden Feste - in dem prunkvollen Saal ist heute der Lesesaal der Bibliothek untergebracht.
Über die Geschichte der Wirtschaftswissenschaften in Halle kann Erhard Kinzel viel und lange erzählen: 1961 hatte er sich an der Fakultät eingeschrieben, seitdem ist er den Wirtschaftswissenschaften treu geblieben.
Auch als Rentner engagiert sich der promovierte Wirtschaftsinformatiker im Ehemaligen-Verein "Insitu", der das Jubiläum ausrichtet. "Der preußische König wünschte damals, dass die Studierenden auch Kenntnisse in den Grundzügen der Domänen- und Bergwerksleitung und der öffentlichen Verwaltung erhalten", nennt Kinzel den Grund, warum der preußische König 1727 einen Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften in Halle einrichtete. Vom ersten berufenen Professor Simon Peter Gasser, der aus Tübingen nach Halle kam, sind derbe Sprüche überliefert: Die Studenten sollen sich in Ökonomie auskennen, "damit sie nicht die Sache wie die Kuh ansehen und sich von einem jeden etwas vormachen lassen müssen."
Offenbar machte Gasser diesen ersten Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften in Deutschland schnell zu einem anerkannten Studienzweig. Denn einer seiner Nachfolger, der aus Wettin stammende Ludwig Heinrich Jacob (1759-1827), der hier studiert und promoviert hatte, stellte sein Wissen nach der Schließung der Uni 1805 durch Napoleon in den Dienst des russischen Zaren. "Er war dort Mitglied der Finanzkommission des Zaren und wurde für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben", berichtet Erhard Kinzel aus der Geschichte.
Doch viele weitere Professoren und Absolventen der halleschen Wirtschaftswissenschaften machten in den 285 Jahren von sich reden. Wie, das zeigt die Schauspielerin Daniela Schober in einer amüsanten Zeitreise bei dem Fest im großen Hörsaal.
Absolventen, Lehrende und Interessierte können an der öffentlichen Feier am 14. November ab 18 Uhr in der Großen Steinstraße 73 teilnehmen.