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Halle Halle: Verdammt und verehrt

Von Michael Falgowski 27.01.2012, 19:45

Halle (Saale)/MZ. - Das heute längst vergilbte Foto entstand 1928 in San Francisco: Felix Graf Luckner wird Ehrenbürger der Stadt und bekommt eine USA-Fahne überreicht. Was für ein seltsamer Kriegsheld, den der frühere Feind mit der eigenen Fahne ehrt! Im Ausland hoch geachtet, auch in mehreren deutschen Städten in Straßennamen verewigt, erinnert in seiner Wahlheimatstadt Halle heute keine Straße, keine Tafel am Wohnhaus, erst recht kein Denkmal an den "Seeteufel", einen Abenteurer, der sich in Büchern und Vorträgen feierte und manches Seemannsgarn spann. Seit vielen Jahren schon scheitern alle Anträge einer Ehrung im Stadtrat. Und damit allerdings auch die Würdigung der anderen Retter Halles, die wie Luckner die Stadt vor der drohenden Zerstörung alliierter Bomber retteten.

Das soll sich nun ändern. Die Internationale Luckner-Gesellschaft will mit Unterstützung der FDP im April am Markt nun eine Gedenktafel einweihen, die auch Luckner nennt. Vor allem aber will sie ein Museum eröffnen. Dort soll die fünf Meter lange "Stars and Stripes" aus San Francisco mindestens optisch eines der Prunkstücke sein. In ihren neuen Vereinsräumen in der Bernburger Straße 7 werden zahlreiche Artefakte gezeigt, die der Verein seit 2004 als Spenden bekommen oder angekauft hat: Darunter ein zerrissenes Telefonbuch - eigens vom Grafen in zwei Teile gerissen - aber auch Schiffsmodelle. Und auch den Vogelfeder-Umhang, den Maori in Australien dem "Count" 1938 schenken, als er dort anlegte.

"Es wird kein richtiges Luckner-Museum. Aber für angemeldete Besucher werden wir ab Sommer die Räume öffnen", sagt Matthias J. Maurer. Er ist der Vorsitzende der Luckner-Gesellschaft, die nach eigenen Angaben 255 Mitglieder in 22 Nationen hat. Das Museum solle kein Ort der Heldenverehrung werden. Es gehe auch um die Zeit sowie um die Rettung Halles. Es ist nicht so, dass der "Seeteufel" vergessen ist in Halle. In der Porträtgalerie am Riebeckplatz ist er vertreten. In einer Bodenplatte am Göbel-Brunnen auf dem Hallmarkt ist er namentlich erwähnt. Und auch in mancher Kneipe hängt das Bild dieses umstrittenen Kriegshelden. Als 2009 eine Ausstellung eröffnet wurde, kamen Hunderte.

Doch offiziell tut sich die Stadt sehr schwer mit Luckner. Der hatte zwar 1945 als erfolgreicher Unterhändler aufgrund seiner großen Popularität an der Rettung Halles vor der schon beschlossenen Bombardierung wesentlichen Anteil. Doch dessen Charakterbild, um mit dem Dichterwort zu sprechen, schwankt in der Geschichte. Zu den Vorwürfen gegen ihn gehört die Nähe zu den Nazis, unter deren Flagge der Kaisertreue und Freimaurer dennoch propagandawirksam gefahren ist. In der NSDAP war er zwar nie, aber Luckner hat sein prominentes Segel hart in den Wind gedreht. Schwerer noch wiegen pädophile Neigungen, die ihm vorgeworfen werden. Eine Verurteilung des Idols sei auf höchste Weisung gedeckelt wurden, so der Vorwurf. Matthias J. Maurer indes nennt die Verfahren von der Nazi-Justiz inszeniert.

Auch ein Gutachten, das die Stadt 2007 in Auftrag gegeben hatte, brachte keine Klarheit. Man müsse "entscheiden, ob Luckners bedeutender Anteil an der Rettung Halles gegen seine charakterlichen und moralischen Schwächen sowie seine pro-nationalsozialistischen Aktivitäten aufzuwiegen ist", drückten sich die Gutachter vor einem eigenen Urteil. Zuletzt hatte der Stadtrat im Herbst mit den Stimmen von Linke, SPD, Grüne und Mitbürgern eine öffentliche Nennung Luckners abgelehnt. Da half auch nicht, dass der Graf 1953 das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam. Doch nun ergreift die Luckner-Gesellschaft die Initiative, nicht nur mit dem Museum. "Am 19. April um 10.55 Uhr wird am Markt eine Tafel enthüllt, die die Retter Halles ehrt, darunter auch Luckner. Dann läuten auch die Glocken, um an die Kapitulation der Stadt vor 67 Jahren zu erinnern", sagt Ehrenvorsitzender Hans-Günther Gedecke. Die Fahne des "Count" wird übrigens demnächst gezeigt: Bei der Freizeit-Messe am ersten Februar-Wochenende in Bruckdorf, am Stand der Luckner-Gesellschaft. Genau nachzählen: Es sind nur 48 Sterne - Alaska und Hawaii waren 1928 noch keine Bundesstaaten.