1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Halle: Halle: Ungehorsam - aber wie!

Halle Halle: Ungehorsam - aber wie!

Von Manuela schreiber 06.02.2012, 19:01

Halle (Saale)/MZ. - Im Zentrum der Bühne in den Kammerspielen des Neuen Theaters steht ein Auto. Dieses Auto als Statussymbol der bürgerlichen Gesellschaft ist Projektionsfläche und Angriffspunkt, wird angezündet und zertrümmert oder wandelt sich mit einem Tischdeckchen auf der Kühlerhaube zum Wohnzimmertisch. Denn Auflehnung ist Thema der neuen Inszenierung der Studenten des Schauspielstudios am Neuen Theater. "Ungehorsam!" hatte am Wochenende Premiere.

Sex und Gewalt

Jenes das Bühnenbild dominierende Auto ist Versteck oder Fluchtfahrzeug, ist Kulisse für Gewalt und Sex. Und ganz am Ende kann es sogar fliegen, wenn schlichte Träume Worte finden und in einem gemeinsamen, berührenden Song münden. Dann ist der Mensch wieder bei sich angekommen, lässt das innere Kind sprechen und führt so Traum und Magie zu einer Wahrhaftigkeit, wahrer als das Leben.

Davor aber steht der Ungehorsam in all seinen ungeheuerlichen Formen vom zivilen Ungehorsam bis zum persönlichen Aufbegehren gegen die Eltern und den Rest der Welt. Den zentralen Anlaufpunkt bildet Henrik Ibsens "Ein Volksfeind". Darin stellt sich eine ganze Stadt gegen Wahrheitsanspruch eines Einzelnen - dieser hat herausgefunden hat, dass die Quelle im Kurbad verseucht ist. Aber sie sollte doch Wohlstand und Renommee bringen. Dieses Stück wird aufgefächert, seziert, Unterschichten werden freigelegt und in neue Zusammenhänge gestellt, immer der Frage nachgehend: Was ist zu tun? Bleiben? Gehen? Aufbegehren oder Resignieren? Den Moralvorstellungen der anderen folgen oder den eigenen?

Gehorsam oder eben ungehorsam sein? Über Wochen haben sich die acht Schauspielstudenten Bea Brocks, Laura Lippmann, Julia Preuss, Martin Bruchmann, Felix Defèr, Pablo Guaneme Pinilla, Fabian Oehl und Patrick Wudtke gemeinsam mit ihrer Mentorin und Regisseurin Martina Eitner-Acheampong diesen Fragen gestellt. Neue Texte aus ihrer eigenen Erlebniswelt wurden hinzugenommen, Grenzerfahrungen eingebracht, moderne Rhythmen ganz nah am Puls der Zeit unterlegt, asiatische Kampfsporttechniken erprobt. Und auf die Bühne gestellt, die Jan Steigert ausgestattet hat.

Gelungene Collage

Schlussendlich entstand eine Collage aus Worten und Bildern, die den Zuschauer verstören, überwältigen, faszinieren und mit hineinnehmen in die allgegenwärtige Flut banalisierter Gewalt, die jeden Einzelnen täglich, ob durch die Massenmedien oder legal angebotene Computerspiele, überrollt.

Die körperliche und mimische Leistung der jungen Akteure war enorm, der ständige Wechsel der Rollen und Sichtachsen eine Herausforderung, die auf höchstem Niveau angenommen und bewältigt wurde. Spätestens seit dieser Inszenierung sind diese Studenten in der Riege der Schauspieler angekommen. Applaus!