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Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Sirenen sorgen für Ärger bei Anwohnern

Von alexandra prinz-klause 20.11.2012, 20:29

braschwitz/MZ. - Arthur Schmidt wohnt seit fast 60 Jahren gegenüber dem Gemeindehaus. Auf dem Dach wurde 1957 die Feuerwehr-Sirene installiert. Der 82-Jährige war früher selbst bei der Feuerwehr. Er kennt die Abläufe und schätzt die Kameraden - bis heute. Was ihn belastet, ist die gestiegene Häufigkeit der Einsätze. "Früher ging die Sirene ein paar Mal im Jahr, heute wesentlich öfter", sagt der Rentner, dem die Lautstärke der Sirene nach eigenen Worten im Ohr schmerzt.

Tatsächlich hat die Häufigkeit der Einsätze spürbar zugenommen, bestätigt Uwe Sperling, Wehrleiter der Stadt Landsberg. "Aufgrund von Personalmangel bei der Freiwilligen Feuerwehr mussten wir uns umorganisieren und die Einzugsbereiche ändern." Mehrfach-Alarmierungen seien zwingend notwendig, um zu gewährleisten, dass die Kameraden auch innerhalb von 12 Minuten am Ort seien. Die Feuerwehr Braschwitz / Plößnitz werde daher auch bei Vorkommnissen in Zöberitz, Peißen, Niemberg und Oppin alarmiert.

Ein Teil der Einsätze habe Oppin als Ziel und das dortige Entsorgungsunternehmen Tönsmeier. Der Niederlassungschef Andreas Thiel bedauert die Vielzahl der Auslösungen, im Schnitt etwa 20 im Jahr. Dabei gebe es vor allem in den Sommermonaten die meisten. "Das liegt vor allem an der Grillsaison. Glutnester werden im Müll mit den Autos angeliefert", so Thiel. Die Brandmeldeanlage sei mit den Jahren optimiert worden, auch die Sprühnebelanlage, die bei ersten Brandanzeichen reagiert, wurde erneuert. Ein Problem blieben aber die Fehlbefüllungen. So gebe es auch immer wieder Verpuffungen in der Dosenpresse durch freigesetzte Rest-Gase und Funkenbildung. Seit Mitte September wurde die Feuerwehr allein fünf Mal zu Tönsmeier gerufen, rechnet Stadtwehrleiter Sperling vor.

Den Beschwerden vereinzelter Anwohner sei nachgegangen worden, erklärt Landsbergs Bürgermeister Olaf Heinrich (CDU). "Jede Sorge wird gehört und wir bemühen uns um einen Kompromiss." So habe er in diesem Fall entschieden, dass zwischen 22 und 6 Uhr die Sirene inaktiv ist und die Kameraden über einen digitalen Meldeempfänger, den Pager, alarmiert würden. "Ausnahmen sind allerdings nach wie vor der Katastrophenfall oder eine Handauslösung." So werde es auch seit rund zwei Jahren in Niemberg gehandhabt. Dort hatte eine Familie geklagt. Die Sirene wurde auf das Feuerwehrhaus umgesetzt und ein Nachtverbot erlassen.

Mit der erkämpften Nachtruhe will sich Familie Grothe, die gegenüber vom Braschwitzer Depot wohnt, nicht zufrieden geben. Sie fordert, in Zeiten multimedialer Alternativen die Sirene ganz abzuschaffen. Die 73-jährige Mutter Ursula und auch Ehemann Gerhardt (77) seien gesundheitlich angeschlagen und hätten Herzprobleme. "Dieser Schritt kommt nicht infrage", stellt Heinrich klar. Über eine komplette Abschaffung der 13 Sirenen in Landsberg werde nicht nachgedacht. Im Gegenteil: Vor zwei Jahren sei die Ansteuerung der Sirene erst von analog auf digital umgestellt worden. Außerdem dürfe man bei der ganzen Diskussion eines nicht vergessen: "Das ist kein Hobby, das ist ein Ehrenamt. Die Feuerwehrleute haben im Schnitt 130 Einsätze im Jahr, müssen 42 Ausbildungsstunden vorweisen, dazu kämen noch Arzt-Besuche oder Übungsstunden. Da wird viel Zeit investiert, deshalb sind wir dankbar für jeden, der sich bei der Feuerwehr aktiv engagiert."

So sieht das auch der Großteil der Braschwitzer. Lutz Hamm und seine Familie hat die Sirene 50 Meter Luftlinie entfernt noch nie gestört. "Nachts drehen wir uns um und schlafen weiter und sind froh, dass es Männer gibt, die sich freiwillig rausquälen, um zu helfen. Und die meisten von ihnen sind ja dazu noch berufstätig, also Hut ab!" Auch Susi Brunngräber kann den Streit nicht verstehen: "Von wegen Ruhestörung: Für alle ist die Sirene doch auch ein Warnsignal."

Auch die 18 aktiven Kameraden der Feuerwehr in Braschwitz / Plößnitz sind die Diskussionen leid. Ortswehrleiter René Gorgas möchte, dass sich die Gemüter beruhigen. "Wir sind gerne Feuerwehrleute. Unsere Familien stehen hinter uns, der Nachwuchs ist bei der Jugend-Feuerwehr." Gleichzeitig gibt er zu bedenken: "Die digitalen Pager sind nicht die optimale Lösung. Einige Leute haben in ihrem Haus ein Funkloch." Schon mehrfach seien die Signale nicht angekommen. Falls sich die Ausfälle häuften, seien Alternativen gefragt. Eine Rückkehr zur nächtlichen Sirene sei nicht auszuschließen. Gefordert sei hier der Gesetzgeber.

Doch nicht nur die Sirene ist den Kritikern ein Dorn im Auge. Auch das Martinshorn der Fahrzeuge werde zu oft und manchmal unnötigerweise eingesetzt, auch nachts. Dazu sagt Stadtwehrleiter Sperling, selbst aktiver Feuerwehrmann: "In der Straßenverkehrsordnung ist festgelegt, dass Sondersignale wie Blaulicht und Martinshorn nur in Kombination einsetzbar sind." Es gebe zwar sogenannte "Einsätze ohne Eile", aber diese seien eher selten.