Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Land unter in Bennstedt
BENNSTEDT/MZ. - Gisela Nirschel ist am Mittwochabend im Bennstedter Gemeindezentrum nicht die einzige gewesen, deren Stimme bebte, während sie ihre Erfahrungen schilderte: "Vorige Woche hatten wir einen Stromausfall. Ich war sofort in Panik. Kein Strom bedeutet, die Pumpe fällt aus und das Wasser im Keller steigt und steigt. Mit Eimern habe ich dann geschöpft, bis der Strom wieder da war."
Überflutungen durch Grundwasser sind es, die viele Bennstedter umtreiben, und das nicht erst seit gestern. Sie fürchten um ihre Lebensqualität, teure Schäden an ihren Häusern und hohe Kosten für den Pumpenbetrieb. Auch deshalb haben Gisela Nirschel, Mirko Schumann und einige andere eine Interessengemeinschaft gegründet. Das Gedränge von Zuhörern im Gemeindezentrum war nur zu verständlich. Nicht jeder fand einen Sitzplatz. Alle wollten nur eines: Wissen, was da passiert. Wieso drückt das Grundwasser in ihre Grundstücke, ihre Häuser und Gärten und wann ist ein Ende in Sicht?
Die Gemeinde Salzatal hatte ein Sängerhäuser Ingenieurbüro mit einem Gutachten beauftragt. Dessen Vertreter Torsten Spillmann hatte interessante wie beunruhigende Fakten im Gepäck. Der steigende Grundwasserpegel habe eine historische Ursache, so der Experte. Die liege rund 150 Jahre zurück - im Beginn des sich rasant entwickelnden Bergbaus. Über- und untertage wurden Braunkohle und Ton abgebaut. Eine Absenkung des Grundwasserpegels sei dafür unumgänglich gewesen. Diese sei beträchtlich gewesen und habe 20 und mehr Meter betragen. Mit dem Ende des Bergbaus sei das Wasser nicht mehr abgepumpt worden und habe sich seinen ursprünglichen Weg zurück gesucht.
Die Dimensionen des Problems wurden in den einzelnen Meinungsäußerungen sichtbar. Ein älterer Einwohner sah eine Ursache in der mangelnden Pflege der Vorflutgräben. "Der zuständige Unterhaltungsverband schlampt hier schon seit Jahren", sagte er und bekam spontanen Applaus. Die Gräben sind verstopft und laufen deshalb über. Jeder Grundstückseigentümer zahle aber Geld an den Verband, da könne man doch Leistung erwarten, hieß es.
Ein Bewohner aus Lieskau sagte: "Das Wasser ist auch ein Problem bei uns. Wenn nichts getan wird, können wir bald Boot fahren." Eine Gartenbesitzerin aus Köllme schilderte, sie könne nichts mehr anpflanzen. Der Boden trockene nicht, die Saat vermodere.
Der Gutachter Torsten Spillmann erklärte, man habe es mit Grund- und mit Regenwasser zu tun. "In den letzten drei Jahren gab es so viele Niederschläge wie nie. Das erschwert die Situation zusätzlich." Die Grundwasseroberfläche schwanke stark, so der Ingenieur weiter. Zeitweilig liege sie über der Kellersohle, was die Überflutungen nach sich ziehe. Auf die Dauer sei die private Bekämpfung des Problems keine Lösung. Abhilfe von heute auf morgen aber sei aus seiner Sicht unmöglich, so Spillmann.
Diesem Urteil schloss sich auch Hans-Joachim Kuhn, Leiter des Bauamtes der Gemeinde Salzatal, an. Das natürliche Leitsystem, die Gräben, die in den Würdebach münden, müssten untersucht und gereinigt werden. Außerdem seien umfangreiche weitere Untersuchungen notwendig, um zu konkreten Festlegungen zu kommen.
Bodo-Carlo Ehling vom Landesamt für Geologie und Bergwesen verwies ebenfalls auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen. So gebe es beispielsweise dort weniger Probleme, wo ein Rohrleitungssystem existiere, sagte er.
Ein Trost war das den meisten Zuhörern nicht, auch nicht die Tatsache, dass in alten Schriften und Karten Bennstedt mit dem Zusatz Wasserdorf versehen und Knüppeldämme über die Wasserläufe zu erkennen seien. Niemand, so war zu hören, frohlocke bei dem Gedanken, Bennstedt könne ein Klein-Venedig werden.