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Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Das Feld geräumt

Von MICHAEL FALGOWSKI 12.10.2011, 19:26

KÖCHSTEDT/MZ. - "Karascho", sagte der Komandant sofort. "Was braucht ihr?" - "Einen Bagger", entgegnete Wilhelm Spadt frech, damals Ortsbürgermeister von Köchstedt. Denn eine Ortsstraße sollte gebaut werden, die schließlich auch die Russen mit ihren Urals nutzen - mithin zerstören würden. Warum also nicht mal fragen? "Einen Bagger haben wir nicht. Bedaure. Aber 250 Mann mit der Schaufel!" Und so kam es, dass die Straße zum heutigen Teutschenthaler Ortsteil noch im Sommer 1989 auch dank der sowjetischen Alliierten, der "Freunde", entstand. Die "Bausoldaten" haben diese Straße später allerdings seltener abgenutzt, als dies jemand ahnen konnte, denn kurz danach haben die Russen ihre Siebensachen gepackt. 1991 räumten sie im Zuge der Deutschen Einheit das Feld.

Das ist genau 20 Jahre her, aber noch immer liegen Spuren der militärischen Nutzung von Teutschenthal durch die "ruhmreiche Rote Armee" in der Landschaft herum. "Made in USSR" steht auf den riesigen Reifen, die auf einem "Moosinsel" genannten Gelände entlang des Wanslebener Weges im Ortsteil Bahnhof liegen. Auch ein verrottetes leeres Fass steht herum, und eine morsche Munitionskiste wurde auf der illegalen Müllkippe abgelegt. Über alles wächst im Schatten der Teutschenthaler Halde das Gras.

Abzug im Herbst 1991

"Ab Herbst 1991 haben die Russen die Kaserne geräumt. Zuerst wurde die Munition über den Flugplatz in Allstedt ausgeflogen", erinnert sich Wilhelm Spadt. Die Erinnerung vieler Teutschenthaler an die "Sowjets" ist noch immer sehr lebendig. Der heute 61-jährige Spadt etwa hat sich als junger Mann bei der "Elektrifizierung" der neu gebauten Kaserne beteiligt. 1968 war das, als die Russen nach Köchstedt kamen. "Es war im Winter. Sie haben zunächst in Zelten gehaust und in Erdhöhlen gekocht. Und drei getrennte Küchen gab es von Anfang an: Für Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere."

Spadt bilanziert die 23 Jahre währende sowjetische Besatzung seines Dorfes eher positiv: "Zwischen Deutschen und Russen bestand insgesamt ein recht gutes Verhältnis. Zumindest hat es relativ wenig Ärger gegeben." Allerdings gab es privat kaum Kontakte zu den Soldaten. Das sei von den Offizieren auch nicht gewünscht gewesen. Das sieht Bäckermeister Thoralf Schäl aus Teutschenthal-Bahnhof ähnlich. "In der Schule gab es lediglich ein paar Besuche von Soldaten zu irgendwelchen Festtagen", kann er sich erinnern. Und: "Die Offiziere haben bei uns im Laden ganze Torten gekauft - und sie tatsächlich in ihre Aktentaschen gestopft."

450 bis 500 sowjetische Soldaten waren laut Spat in der Köchstedter Kaserne einer Transport-Einheit stationiert. In den Hallen standen Lkw, die Panzer mit dem Roten Stern warteten in der Heidekaserne in Halle einsatzbereit. "Eigentlich waren die Russen ja die Sieger. Aber die Soldaten waren doch auch arme Hunde", sagt Spadt. 15 Mark Sold habe ein Soldat bekommen. Manchmal hätten sie an der Straße Benzin verkauft. Und sie seien für Vergehen wie etwa das Kaufen von Alkohol in der Köchstedter Kneipe brutal betraft worden, wenn sie erwischt wurden: "Es gab Prügel von den Offizieren vor unseren Augen." Die Soldaten, so Spadt, erledigten oft auch Arbeiten, die sonst keiner machen wollte. Im Kaliwerk waren ständig Russen beschäftigt. Von dort wurde per Dampfleitung die Kaserne übrigens beheizt. Auch im heutigen Romonta-Werk schufteten sie. Und natürlich halfen sie auf dem Feld. Bezahlt wurde meist in Naturalien. "Auf den LPG-Hof in Holleben sind manchmal Russen gekommen. Die brachten Benzin und nahmen Futter für ihre Schweine mit", erinnert sich Helmut Kitze, heute Mitarbeiter im Ordnungsamt von Teutschenthal. Denn Schweine und Kühe hielten sich die sowjetischen Streitkräfte. Erst im Frühjahr dieses Jahres wurden die letzten der 1 200 Kubikmeter fassenden Benzintanks aus dem Gelände der ehemaligen Kaserne gegraben. Sie waren leer.

Müllkippe brannte 2007

Geblieben sind aber noch die Überbleibsel auf der wilden Deponie an der Moosinsel. "2007 hat es hier gebrannt. Danach wurden die entsorgten gefährlichen Stoffe wie Batterien oder Fette aus der Kaserne beseitigt", sagt Helmut Kitze. Man werde in den nächsten Tagen auch die Reifen "made in USSR" wegräumen. Und nach weiteren Altlasten sehen.