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Halle Halle: Malerei um Mitternacht

Von KATJA PAUSCH 27.07.2011, 17:21

Halle (Saale)/MZ. - Im Hermes-Gebäude brennt nachts Licht, so mancher Künstler schläftnoch nicht. Studenten der Burg sind bis zum Morgengrauen munter - und kreativ.

Der Ort ist schon am Tage wenig gastlich, erst recht aber mitten in der Nacht. Nur wenige verirren sich da auf das etwas finstere Hermes-Areal am nordöstlichen Rand des Paulusviertels. Es gibt auch kaum einen Grund, sich nächtens dort aufzuhalten: Der Supermarkt hat längst geschlossen, ebenso wie Imbiss, Getränke- und Zoohandel. Nur die Tankstelle leuchtet hell, die junge Frau hinter dem Glasschalter ist die einzige Menschenseele weit und breit.

Doch nur ein paar Meter weiter um die Ecke ist Leben in der sprichwörtlichen Bude, viel junges Leben. Nicht nur drinnen im "Hermes", der historischen Papier- und Kalenderfabrik, die seit den 90er Jahren die Malwerkstätten der Kunsthochschule Burg Giebichenstein birgt. Sondern in dieser sommerlauen Nacht auch davor: Ganz spontan haben junge Leute ein paar Sessel und ein altes Sofa ins Freie geschleppt, Wein und Knabberzeug besorgt. Der Beamer wirft großes Kino an die gegenüberliegende Wand: "Spiel mir das Lied vom Tod". Und während sich unten die einen ihr privates Filmerlebnis mit Claudia Cardinale, Charles Bronson und Henry Fonda unterm Sternenzelt gönnen, sind andere drei, vier Stockwerke höher mit anderen Formen der bildenden Kunst beschäftigt.

Soo Youn Kim zum Beispiel. Die Studentin im dritten Studienjahr genießt die Stille, die die Arbeit in der Nacht bietet. Graphisches und Geometrisches sind die bevorzugten Darstellungsformen, mit denen die junge Südkoreanerin sich dem Thema Genesis nähert. Vor ihr liegen Farbstudien: Streifen, Muster, Abstraktes. Mit mehreren Arbeiten war sie bereits erfolgreich in Galerien und Ausstellungen wie in der der Hypo-Vereinsbank, andere Bilder waren erst kürzlich zur Jahresausstellung der Burg zu sehen.

Wie Soo Youn Kim hat auch Julia Arlt hier im "Hermes" einen Platz für sich gefunden, an dem sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen kann. "Ich finde es spannend, selbst herauszufinden, was ich kann", so die Studentin im vierten Studienjahr. Muss das denn aber ausgerechnet nachts sein? "Für mich ist das die ideale Zeit - niemand stört, man kann sich hervorragend konzentrieren", so die Studentin, die ihre Stärke nach anfänglicher Liebe zur Malerei inzwischen eher im Textil sieht und aus diesem Material phantasiereiche, farbige Früchte kreiert. Als "reinen Luxus, hier arbeiten zu dürfen", empfindet auch Björn Hermann die Möglichkeit seiner - oft nächtlichen - Anwesenheit im "Hermes". Als gelernter Theatermaler hat der Mitbegründer der neuen Galerie "Rauschickermann" noch ein Malerei-Studium draufgesetzt. Großformatige Bilder in starken Farben, die an Triptychen erinnern, lehnen an der Wand, der Tisch davor steht voller Farbtöpfe, Pinsel und Spatel, dazwischen eine Flasche Rotwein - der fördert nicht nur seine Kreativität. "Hier ist mein Schutzraum zum Ausprobieren", sagt der junge Mann, der sich den "Entwurf für ein Leben im Ausnahmezustand" ausgesucht hat - als Künstler.

Darin kennt sich Ulrich Reimkasten bestens aus. Der eigenwillige Maler, Jahrgang '53 und seit 1995 Professor für das Fachgebiet Malerei / Textil, ist dankbar, fernab des durchstrukturierten Hochschulbetriebs an "Halles höchstem Punkt" lehren zu können - "etwas entrückt", wie er sagt. Wohl kaum sonst sei es möglich, dass er nachts mit seinen Studenten so unkonventionell arbeiten könne, so Reimkasten. Keine Vorlesung, kein Seminar, kein organisierter Lehrbetrieb unterbricht um Mitternacht die schöpferische Arbeit der jungen Kreativen, die die Chance zur außergewöhnlichen Nachtarbeit in ihrem Studium oft und gern nutzen. Reimkasten, kritischer, streitbarer und dabei überaus sympathischer Lehrer, ist für die jungen Leute eine Instanz - bei weitem nicht nur, wenn es um Malerei geht. Mit ihm könne man nächtelang beim Wein diskutieren, sagen seine Studenten. Und tatsächlich: Auch in dieser Nacht gehen die Letzten erst, als es draußen langsam wieder hell wird.