Halle Halle: Luxus-Quartier für Eidechsen
Halle (Saale)/MZ. - Es geht ihr gut, der Zauneidechse auf Halles Güterbahnhof. So weit man das beurteilen kann, denn das Tier verfällt langsam in seine Winterstarre. Dass es ihm gutgeht, das weiß Kurt Wolfert von ziemlich genau 128 Exemplaren dieser streng geschützten Art. Wolfert leitet bei der Bahn-Tochter Projektbau die 120 Millionen Euro teure Modernisierung des alten halleschen Rangierbahnhofes. Und in dieser Eigenschaft betreut Wolfert auch ein ungewöhnliches Naturschutz-Projekt: die Rettung der Zauneidechse auf dem Gelände des künftigen zentralen Güterwagen-Drehkreuzes für Mitteldeutschland. Vor den jetzt beginnenden, im wahrsten Wortsinn tiefgreifenden Arbeiten musste die Zauneidechse in Sicherheit gebracht werden, die auch in Halle den Rangierbahnhof bevölkert. Die Rettungsaktion ist eine Naturschutz-Auflage des Gesetzgebers.
Ein unabhängiges Ingenieurbüro wurde mit der aufwendigen Umsiedlung beauftragt. Immerhin rund 200 000 Euro kostet das Projekt. Im Frühjahr dieses Jahres wurde im Schatten der Berliner Brücke eigens ein 10 000 Quadratmeter großes Areal beräumt - Bagger wühlten 1 100 Meter rostige Gleise und ein altes Stellwerk aus dem Boden - und eingezäunt. Naturfachlich ganz korrekt ausgestattet mit Sandhaufen, totem Holz, Schotter, Gras und Dreck, bildet das Areal nun das perfekte Refugium der Zauneidechse. Auf dem seit Jahren in seinen größten Teilen stillgelegten Rangierbahnhof-Gelände wurden Plaste-Eimer verbuddelt, in die die neugierige Eidechse fallen sollte. Und sie tat es: "Insgesamt sind 128 Zauneidechsen sorgfältig unter Einhaltung aller Naturschutz-Auflagen umgesiedelt worden", sagt Projektleiter Wolfert. Der Gutachter hatte zuvor übrigens 125 Tiere prognostiziert.
Nun fristen die Zauneidechsen offenbar ein zufriedenes Dasein in ihrem geschützten Bereich - als Zaungast der Bauarbeiten. Zwei Mal im Monat geht der Gutachter nun herum und kontrolliert während der gesamten Bauzeit, ob die Population stabil ist. Wie Bahnsprecherin Änne Kliem sagt, sei der Experte nicht nur für die Eidechsen vor Ort verantwortlich, sondern überwache alle Umweltbelange im Zusammenhang mit dem Umbau des Rangierbahnhofes. Das betreffe beispielsweise den Vogelschutz oder auch den Baumschutz.
Wenn die neue Zugbildungsanlage in Betrieb geht - eine Teileröffnung ist in zwei Jahren geplant - verschwindet auch das Zauneidechsen-Asyl. Dann kann sich die Lacerta agilis wieder auf den gesamten 259 000 Quadratmetern des halleschen Rangierbahnhofs ausbreiten. Vom dem später beginnenden Umbau des Eisenbahn-Knotens Halle rund um den Rangierbahnhof , der weitere rund 385 Millionen Euro kosten soll, ist die Zauneidechse übrigens nicht betroffen. "Auf ständig befahrenen Strecken findet sich die Zauneidechse nicht. Sie fühlt sich auf Rangierbahnhöfen wohl", so Wolfert.