Halle Halle: Havag sieht schwarz
Halle (Saale)/MZ. - Die 34-jährige Hallenserin Claudia E. ist keine Schwerkriminelle. Dennoch wurde die Mutter von drei Kindern am Dienstag von der Polizei aus ihrer Wohnung in Neustadt abgeholt: Sie ist mehrfach schwarz gefahren und war zu einem früheren Prozesstermin am Amtsgericht Halle nicht erschienen. Kleinlaut nahm sie auf der Anklagebank Platz: "Ja, ich hab's gemacht. Ich hatte kein Geld." Sechs Mal wurde die Hartz-IV-Empfängerin von Kontrolleuren in Havag-Bussen ohne Fahrkarte erwischt - nun muss sie eine Geldstrafe von 550 Euro zahlen. Doch sie ist kein Einzelfall.
In den letzten vier Wochen stapeln sich bei den Strafrichtern am Amtsgericht die Akten zu Schwarzfahrern: "In dieser Woche machen diese Delikte mehr als ein Drittel aller Verhandlungen aus", so Pressesprecher Werner Budtke. Von 59 Strafsachen geht es bei 22 ausschließlich um mehrfache Beförderungserschleichung. Seit Anfang November mussten sich mehr als 50 Hallenser wegen Schwarzfahrens vor Gericht verantworten. Budtke: "Das ist ein echtes Phänomen. Die Zahl der Anklagen hat extrem zugenommen." Üblicherweise machten Verkehrsdelikte, Trunkenheitsfahrten und Diebstähle die Mehrzahl der Verhandlungen aus.
Die Mitarbeiter der Halleschen Verkehrsbetriebe (Havag) haben alle Hände voll zu tun, um Strafanzeigen gegen notorische Fahrkartenverweigerer zu erstatten: "Auch wenn die Zahl der Schwarzfahrer mit rund 32 000 Fällen in den letzten Jahren gleich war, so haben vor allem die Mehrfachtäter stark zugenommen", so Pressesprecherin Antje Prochnow. Wurden 2009 bei der Havag knapp 600 Männer und Frauen mehr als zehn Mal ohne Ticket erwischt, so waren es bis jetzt in diesem Jahr schon 1 200. "Nicht bei allen ist der Grund, dass sie kein Geld haben. Wir haben auch zahlungskräftige Kunden darunter", so Prochnow.
Dagegen stellen Kunden ohne Fahrschein beim Omnibusbetrieb Saalkreis (OBS) kein Problem dar: Die Fahrgäste kaufen beim Einstieg eine Fahrkarte oder zeigen ihr Ticket dem Fahrer vor. "Schwarzfahrer sind bei uns der absolute Ausnahmefall. Deshalb führen wir auch keine Kontrollen durch", so OBS-Betriebsleiter Roberto Krüger.
Anders sieht es dagegen bei der Deutschen Bahn aus. Auch hier entdecken Kontrolleure immer wieder Kunden ohne gültigen Fahrschein - Zahlen hierzu teilte das Unternehmen auf Anfrage nicht mit. Einer der Ertappten ist aber beispielsweise ein 19-jährigen Hallenser, der zwischen Dezember 2009 und Mai 2010 insgesamt 15 Mal in Regional- und S-Bahnen auf den Strecken von Halle nach Magdeburg oder Leipzig als Schwarzfahrer auffiel - und das, obwohl er bereits deswegen vorbestraft ist. Am Dienstag wurde er zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er 200 Stunden gemeinnützige Stunden ableisten.
Als Wiederholungstäter ist der junge Mann dabei sogar noch gut weg gekommen. Denn auf Beförderungserschleichung steht bis zu einem Jahr Gefängnis. "Vielen ist es nicht bekannt, dass Schwarzfahren weder ein Kavaliersdelikt, noch eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat ist", so Werner Budtke.