Fünf Jahre nach Terroranschlag Jahrestag endet mit öffentlichem Gedenken auf dem Markt in Halle - Steinmeier mittendrin
Mit mehreren Veranstaltungen ist am Mittwoch an den Terroranschlag vom 9. Oktober 2019 gedacht worden. An dem Tag richtete ein Rechtsextremist in Halle und in Wiedersdorf (Saalekreis) ein Blutbad an.
Halle (Saale)/MZ. - Mitgefühl, Zuspruch, ein Zusammenkommen bei mehreren Veranstaltungen sowie bundespolitische Aufmerksamkeit, all das prägte den fünften Jahrestag des Terroranschlags von Halle. Fünf Jahre nach dem Terroranschlag 2019 hat Halle an diesem Mittwoch, 9. Oktober, der Opfer an den beiden Tatorten, gedacht. An der Synagoge, vor dem Tekiez sowie in der Ulrichskirche und auf dem Markplatz kamen Einwohner, Betroffene sowie Politiker zusammen. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erinnerten an die beiden Todesopfer Jana Lange und Kevin Schwarze.
9. Oktober: Mehrere Hundert Menschen versammeln sich zur Andacht auf dem Markt
Das Gedenken am 9. Oktober endete mit einer Andacht auf dem Marktplatz. Mehrere hundert Menschen hatten sich versammelt, um den Opfern zu gedenken. Mittendrin war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der mit Menschen ins Gespräch kam. Zuvor war er zu Fuß von der Ulrichskirche über die Leipziger Straße zum Marktplatz gelaufen.
400 Menschen versammeln sich zur Kundgebung der "Soligruppe 9. Oktober" am Tekiez
Am Tekiez hatte kurz nach 18 Uhr die Kundgebung der "Soligruppe 9. Oktober" begonnen. In der Eröffnungsrede verweist die Initiative auf eine weitere Versammlung, die in Berlin stattfindet. Es sind etwa 400 Menschen auf der Veranstaltung.
Ismet Tekin, Überlebender des Terroranschlags nennt die Aktion in seiner Rede ein "Zeichen für die Zukunft und ein Zeichen für die Demokratie". Etwa 400 Teilnehmer sind vor Ort.
Geier auf der zentralen Gedenkveranstaltung in der Ulrichskirche: "Wir dürfen nicht vergessen"
Während der zentralen Gedenkveranstaltung anlässlich des Terroranschlags von vor fünf Jahren äußerte Halles Bürgermeister, Egbert Geier (SPD): "Der Anschlag hat eine Wunde hinterlassen. Der Schmerz ist nicht vergessen." Die Taten dürften nicht vergessen werden, so Geier. Jeder einzelne trage die Verantwortung dafür, dass sich so eine Tat nicht wiederhole.
Steinmeier auf Gedenkveranstaltung zum 9. Oktober: "Der Täter hat sein Ziel nicht erreicht"
Bundespräsident Steinmeier (SPD) betonte in seiner Rede den Zusammenhalt der Gesellschaft. "Der 9. Oktober hat das Leben in Halle für immer verändert. Wir denken mit Trauer an die Opfer." Leider sei es "bitterer Alltag", dass Juden täglich angegriffen werden. "Die Mörder von Kassel, Halle und Hanau haben allein gehandelt, aber nicht allein gedacht", so Steinmeier.
Wichtig sei nun, sich nicht auseinander treiben zu lassen. "Das ist die Lehre von Halle. Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen. Aber, dass wir heute gemeinsam hier sind, ist ein Zeichen. Der Täter hat sein Ziel nicht erreicht."
Gedenken an Terror-Opfer: Massives Polizeiaufgebot und Personenkontrollen vor Ulrichskirche in Halle
Der Bereich vor der Ulrichskirche ist abgesperrt. Ein Großaufgebot der Polizei sichert die Gegend rund um das Gotteshaus. Wer hinein will, um an der öffentlichen Gedenkveranstaltung teilzunehmen, wird einer strengen Personenkontrolle unterzogen. Auch Sprengstoffspürhunde sind im Einsatz, um für Sicherheit zu sorgen.
Steinmeier und Haseloff an der Synagoge in Halle
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, gedenken gemeinsam vor der Synagoge in Halle der Anschlagsopfer des 9. Oktobers.
Derweil hat am Steintor der Gedenkrundgang von "Halle gegen Rechts" begonnen. Das Bündnis will "erinnern und Solidarität" ausdrücken. "Denn es ist wichtig, nicht zu vergessen." Sie fordern, den Antisemitismus in der Gesellschaft klar zu bekämpfen. Die Veranstalter sprechen von etwa 250 Teilnehmern.
Anschlag vom 9. Oktober: Straßenbahnen halten um 12.03 Uhr für eine Schweigeminute
Um 12.03 Uhr hielt die Straßenbahn Linie 10 auf ihrem Weg von Neustadt ins Zentrum an der Haltestelle Neustadt-Zentrum. Fahrgäste wurden per Durchsage informiert, dass die Bahn zwei Minuten hält, um eine Schweigeminute in Gedenken an den Halle-Anschlag einzulegen. "Wir bitten um Verständnis und Anteilnahme", hieß es.
Manch ein Fahrgast zeigte dafür auf Nachfrage wenig Verständnis. Eine Frau sagte: "Ich finde das nicht gut, weil ich es eilig habe. Aber verstehen kann ich es." Als die Bahn sich nach weniger als zwei Minuten wieder in Bewegung setzte, war sie beruhigt.
Andere Fahrgäste hielten die Aktion für gut und richtig. Auch wenn die Aktion letztlich nur symbolischen Wert hatte, wollte eine ältere Dame sie nicht kleinreden. "Sonst wäre es so, dass uns gar nichts mehr interessiert", sagte sie. Vielmehr hätte sie sich noch mehr Information gewünscht. Dass der Attentäter vor fünf Jahren um 12.03 Uhr seinen Terrorakt begann, war ihr nämlich nicht bewusst.
Gedenken an den Anschlag der Synagoge hat begonnen
In der Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Halle in der Humboldtstraße hat kurz vor 12 Uhr das Gedenken begonnen. Zunächst gab es eine Schweigeminute, wie in der ganzen Stadt um 12.03 Uhr.
Anschließend gab es verschiedene Reden und schließlich setzte Ministerpräsident Reiner Haseloff die letzten Schriftzeichen in eine neue Torarolle. Mit dieser Torarolle soll an die beiden Todesopfer Jana Lange und Kevin Schwarze sowie den Anschlagstag erinnert werden. An dieser war ein Jahr gearbeitet worden. Zu der Gedenkveranstaltung war auch der Vater von Kevin Schwarze eingeladen.
Auch der HFC hat zum Gedenken an die Opfer vom 9. Oktober einen Kranz niedergelegt
Einen Kranz hat auch der HFC niedergelegt. Der damals im Kiez Döner erschossene Kevin Schwarze war großer Fan des halleschen Fußballvereins. Die Polizei ist ebenfalls vor Ort.
Nachdem am Dienstagmorgen mehrere Hakenkreuze rund um den Tekiez an Schilder, Aufsteller und Mülltonnen gemalt - und nach Sichtung durch die Polizei wieder entfernt worden, sind zum Mittwoch keine neuen Schmierereien aufgetaucht. Yamin Hamid, Projektkoordinator im Tekiez, sagt zu den Hakenkreuzen: "Das ist ein ganz klarer Einschüchterungsversuch." Doch das werde nicht gelingen.
Gedenken an den Anschlag von Halle: Mittwochvormittag werden Autos abgeschleppt
Die ersten Sperrungen gab es bereits seit Dienstag. Seit Mittwochmorgen werden Straßen im Paulusviertel abgesperrt, außerdem werden die ersten Autos abgeschleppt. Im Paulusviertel gibt es abschnittsweise ein absolutes Halteverbot für 24 Stunden in der Ludwig-Wucherer-Straße, Paracelsusstraße, Schillerstraße, um die Ulrichskirche am Boulevard sowie in der Kleinen bis zur Großen Märkerstraße.
Während der Veranstaltungen werden Straßen für den Durchgangsverkehr gesperrt. So werden im Kreuzungsbereich in der Humboldt- und Schillerstraße Blockiersysteme aufgebaut, die geschlossen werden können. Dann ist auch für Anwohner die Durchfahrt nicht möglich.
Auf dem Marktplatz fällt der Wochenmarkt am 9. Oktober aus. Ab 11 Uhr werden alle Zufahrten gesperrt. Der Taxi-Stand vor dem ehemaligen Kaufhof kann am Gedenktag ebenfalls nicht genutzt werden. Bis 20 Uhr riegelt die Polizei das Areal ab.
An der Synagoge und am Tekiez hat am Mittwochmorgen das Gedenken an den Anschlag vom 9. Oktober 2019 begonnen. Unter anderem die Stadt Halle hat Kränze aufgestellt. Vor dem ehemaligen Kiez-Döner in der Ludwig-Wucherer-Straße hat auch der hallesche Fußball-Club HFC einen Kranz niedergelegt. Der damals im Kiez Döner erschossene Kevin Schwarze war großer Fan des halleschen Fußballvereins. Die Polizei ist ebenfalls vor Ort.
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9. Oktober Halle: Das ist am Gedenktag geplant
Folgende Veranstaltungen sind zum Gedenken an den Anschlag von Halle (Saale) am 9. Oktober 2019 im Stadtgebiet geplant, dabei sind verschiedene Akteure involviert, neben der Stadt Halle selbst, die Jüdische Gemeinde, das Bündnis "Halle gegen rechts", der evangelische Kirchenkreis und viele mehr:
- Vormittag: Kranzniederlegung der Stadt an den beiden Gedenktafeln vor der Synagoge und in der Ludwig-Wucherer-Straße Hallenserinnen und Hallenser sind eingeladen, am 9. Oktober innezuhalten und an den beiden Gedenktafeln Blumen niederzulegen oder Kerzen anzuzünden.
- 12 Uhr: Stilles Gedenken im Hof der Synagoge, Humboldtstraße 52, auf Einladung der Jüdischen Gemeinde zu Halle, mit Bürgermeister Egbert Geier
- 12.03 Uhr: Gedenken an der Synagoge, zu dieser Zeit startete der Attentäter vor fünf Jahren den blutigen Anschlag
- 12.03 Uhr: Zum Zeitpunkt der ersten tödlichen Schüsse werden stadtweit die Kirchenglocken läuten; die Havag wird ihre Fahrzeuge am nächsten geeigneten Abstellpunkt stoppen sowie mittels Durchsagen in den Fahrzeugen und Haltestellen zum Anschlagsgedenken informieren.
- Ab 15 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht die Anschlagsorte (Synagoge und Tekiez in der Ludwig-Wucherer-Straße)
- Ab 16 Uhr: Gedenkrundgang von „Halle gegen Rechts“, Start am Steintor, danach geht es zur Synagoge bis zum „Tekiez“ mit Kundgebung um 18 Uhr.
- 17 Uhr: Zentrales, öffentliches Gedenken in der Ulrichskirche, eine Anmeldung ist nicht erforderlich; Betroffene und Beteiligte erinnern an den 9. Oktober 2019. Die Stadt bittet darum, möglichst keine Taschen mitzubringen, um die Sicherheitskontrollen am Einlass zu erleichtern.
- 18.30 Uhr: Andacht auf dem Markt, gestaltet von der Jüdischen Gemeinde, dem evangelischen Kirchenkreis Halle-Saalkreis und der Stadt Halle. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind eingeladen, Kerzen zum gemeinsamen Entzünden mitzubringen. Auch die Teilnahme an der Andacht ist ohne Anmeldung möglich.
- Zudem gibt es die Ausstellungsreihe "Wo warst Du?" der Projektgruppe "Tagebuch der Gefühle". Zu sehen sind die Ausstellungen hier: In der Volkshochschule Halle, am Klinikum Bergmannstrost, am Gesundheitszentrum Silberhöhe, am Landesmuseum für Vorgeschichte, der Marktkirche, der Neustädter Passage 13, an der Poliklinik Reil und am Quartiersmanagement Halle-Nord, seit dem 8. Oktober im Ratshof und in der Gemeinde St. Briccius.
- Außerdem gibt es eine Plakatkampagne des Bündnis „Halle gegen Rechts“. Dabei sollen in Zusammenarbeit mit der Mobilen Opferberatung und der „Soligruppe 9. Oktober“ Zitate von Überlebenden des Terroranschlags veröffentlicht werden. Zudem will das Bündnis in Halle und Landsberg Großplakate aufstellen.