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Gustav Klimt in Halle Gustav Klimt in Halle: Der reine Augenschmaus im Kunstmuseum Moritzburg

Von Günter Kowa 12.10.2018, 08:00
Das Bild «Eugenia Primavesi» (1913/14) von Gustav Klimt (1862-1918) wird in der Ausstellung «Der Zauberer aus Wien» zum 100. Todestag Klimts ausgestellt.
Das Bild «Eugenia Primavesi» (1913/14) von Gustav Klimt (1862-1918) wird in der Ausstellung «Der Zauberer aus Wien» zum 100. Todestag Klimts ausgestellt. dpa

Halle (Saale) - Ausrufezeichen sind derzeit in Mode. „Klimt kommt nach Halle!“ „Nun also Klimt!“ „Potenzial zum Blockbuster!“ Plakat, Katalog, Pressetext, allesamt in Verzückung. Fast scheint es, als könnten es das Team um Direktor Thomas Bauer-Friedrich sowie die Sponsoren kaum fassen, dass man im 100. Todesjahr des Schöpfers vom berühmten „Kuss“ zwar nicht gerade diese Ikone, aber doch zehn seiner Bilder und 63 seiner Zeichnungen an die Saale holen konnte.

An „beweglichen“ Bildern Gustav Klimts (1862-1918) gibt es nur gut 200, und die werden nur selten und ungern „bewegt.“ Bei den etwa 4 400 Zeichnungen ist das einfacher, aber dennoch „war das eine Meisterleistung, das alles zusammenzubringen.“

Das sagt Alfred Weidinger, der neue Direktor des Leipziger Bildermuseums, aus sozusagen unabhängiger Warte. In seiner Zeit als Vizedirektor am Wiener Belvedere (mit 24 Klimt-Bildern) stand er öfters im Kontakt mit der Moritzburg, um unter anderem die „Marie Henneberg“ auszuleihen. „Die Zusammenarbeit war immer gut. Wir wollten uns erkenntlich zeigen, als Kurator Wolfgang Büche die Möglichkeit einer Klimt-Ausstellung ansprach.“ Weidinger ist Klimt-Experte und in der überschaubaren Welt der Klimt-Sammler angesehen; er wird hinter den Kulissen ein paar Fäden gezogen haben.

Schon dass die Moritzburg dieses duftig schwerelose Porträt sein eigen nennt, unter Klimts Damenbildnissen eines der ersten, ist ein kleines Wunder. Sie war die Ehefrau des Wiener Physikers, Fotografen, Grafikers und Mäzens Hugo Henneberg - Mitglied der Künstlerkolonie „Hohe Warte“ in Wien. Er stellte das Bild in seiner Villa inmitten der exquisiten Ausstattung aus der „Wiener Werkstätte“ zur Schau.

Die Welt des Bürgertums

Nach 1920 kam es nach Leipzig ins Haus des Musikverlegers Max Kuhn (der Verbindungen nach Wien hatte), und 1966 gab es dessen Witwe als Dauerleihgabe an die Moritzburg, die es 1979 für vermutlich wenig Geld kaufte, aber wohl nicht ständig ausstellte. Das waren nicht nur DDR-Verhältnisse; Klimts Nachruhm lag überall danieder.

Nachhaltig änderte sich das erst mit Hans Holleins begeistert aufgenommener Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ 1985 in Wien; und das ihre leistete die massenhafte Publizistik um Rückgabeforderungen und Auktions-Rekordpreise. 1988 sorgte das Auslaufen der Bildrechte für den Boom des Klimt-Souvenir-Markts; auch der ist nun in der Moritzburg angekommen.

Der Henneberg-Verbindung geht die Moritzburg mit einer Sammlung historischer Fotos aus der Villa nach. Gegenstände aus dem Jugendstilhaushalt bis hin zu einem leibhaftigen Kirschholz-Salonschrank führen die von Kunst durchdrungene Lebenswelt des (jüdischen) Wiener Großbürgertums vor Augen, ohne die das Werk Max Klimts nicht denkbar ist. Darin spielten die Ehefrauen bei aller Einfügung jene souveräne Rolle, die Klimt in seinen Porträts so strahlend zur Geltung bringt. Er nutzte dazu die Mittel einer absolut eigenwilligen Kunst, die ihre Anregungen etwa bei Cezanne, aber auch den Mosaiken von Ravenna fand.

Kunstkritiker Ludwig Hevesi: „Bunte Sinnenfreude, ein Traum von Juwelenlust“

Dass die ins Flächige gewendeten Kleider, Bildhintergründe und Ausblicke in ihren dichten Mustern sexuelle Andeutungen machen, ist lange schon bekannt; aber auch darin spiegelt sich das geistige Klima um 1900, das Wien Arthur Schnitzlers und Sigmund Freuds. Losgelöst von alledem erscheinen aber die Frauen in Klimts Zeichnungen. Die Fülle an Akten und figürlichen Studien, die teils zu Hunderten den Porträts, aber auch den blendend virtuosen Wandbildern etwa im Burgtheater vorausgingen, sind die Frucht von Klimts Ausbildung an der Kunstgewerbeschule, wo der „Abendakt“ ein bestimmendes Ritual war. Die Sexualität, die diese Frauenakte ausstrahlen, schwebt zwischen Selbstbewusstsein und Voyeurismus.

Von den Damenporträts sind nach Halle gekommen: das feine Brustbild der Schwester Klara (um 1880), das enigmatische „Bleiche Gesicht“ (1903), die in grellen Kontrasten von Gelb und Grün schillernde „Eugenia Primavesi“ (1913) und die unfertige „Amalie Zuckerkandl“ (1918).

Den zeitgenössischen Blick auf die Klimtschen Porträts erfährt man zum Beispiel bei dem Kunstkritiker Ludwig Hevesi, der von ihnen sagte: „Ein Rausch edelster Buntheit geht von ihnen aus. Bunte Sinnenfreude, ein Traum von Juwelenlust ... In Glanz und Flimmer und mannigfaltigem Gefunkel ohne Greifbarkeit. Der körperlose reine Augenschmaus.“

Erotischer Grundzug

Dreimal ist Klimts nicht minder opulente Landschaftsmalerei vertreten, das Ergebnis seiner „Sommerfrischen“ im Salzburger Land. Auch in diesen Bildern erkannten die Zeitgenossen den erotischen Grundzug: „Sonnenstrahlen spielen verliebt auf den schlanken Stämmen weißer Birken“, schreibt Richard Huther 1914, „an der Zärtlichkeit, der wollüstigen Weichheit des Naturempfindens erkennt man Klimt.“

Bis 6. Jan., Mo, Di, Do-So 10-18 Uhr. Katalog 24,90 Euro. Eröffnung Sonnabend 18 Uhr im Saal der Leopoldina. Danach geöffnet bis 21 Uhr. (mz)

Kaskaden von Stoff, verschwindender Raum: Porträt Marie Henneberg (1901/02)
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Selbstvergessene Erotik: Liegender Akt, Bleistiftzeichnung 1914/15.
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Albertina Wien