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Großes Fest in Ammendorf Großes Fest in Ammendorf: Auf Tour durch Fabrikhallen

Von Andreas Lohmann 24.02.2002, 18:30

Halle/MZ. - "Na gibt es denn so was, da sind ja riesige Schlangen vor den Gulaschkanonen?" Holger und Katrin Radünz überlegten, ob sie sich da noch anstellen sollten. Waren es 50, 80 oder 100 Menschen, die mit hungrigem Magen auf eine Kelle Suppe warteten? Schwer zu sagen. Jedenfalls schien die Schlange gegen Mittag immer länger zu werden beim Tag der offenen Tür im Waggonbau Ammendorf.

Tausende strömten am Sonnabend auf das Werksgelände. Nach dem schweren Kampf ums Überleben der Firma sollte das Ende der Schließungspläne gefeiert werden. Und die Hallenser ließen sich nicht lange Bitten, sorgten für einen Ansturm auf die offenen Tore, pilgerten durch die Fabrikhallen. Ein Betriebsrat meinte, er fühle sich an das Laternenfest erinnert. Und der Vergleich war angesichts des Trubels nicht aus der Luft gegriffen. "Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen", freute sich Betriebsratschef Reiner Knothe.

Deutlich spürbar war die Unterstützung der Hallenser für den Waggonbau in den Tagen und Wochen der Krise. Viele hatten bei einer Kundgebung auf dem Markt gestanden und Lösungen zum Erhalt der 900 Arbeitsplätze gefordert. Nachdem Politiker eingriffen, wurde sie gefunden. Der Mutterkonzern Bombardier hat den Erhalt der Jobs zugesichert, er will den Standort stärker mit Aufträgen versorgen. Die Freude, dass dieser Weg gefunden wurde, ist groß. Überall war sie am Samstag zu spüren, besonders in der großen Veranstaltungshalle, wo Chöre, Orchester und Tanzgruppen der Stadt den Waggonbauern ihre Reverenz erwiesen.

Oft kamen die Besucher in Familie - die Großeltern mit ihren Kindern und Enkeln. So etwa die Bornkessels. Ulrich Bornkessel arbeitet beim Waggonbau in der Rohbaufertigung. Er zeigte seiner Frau Katrin, den Kindern Christian und Katharina sowie den Großeltern Christa und Walter Bornkessel seinen Arbeitsplatz. "Nicht auszudenken, wenn der Junge seine Stelle verloren hätte", zeigte sich Mutter Christa noch immer besorgt und mag dabei auch an das neue Haus gedacht haben, das die junge Familie erst vor ein paar Jahren auf dem Dautzsch gebaut hat.

Den Besuchern wurden viele Produkte und Maschinen vorgestellt. "Uli, zeig'', was du auf der Kirsche hast", rief jemand in Richtung des CNC-Stanzers Ulrich Herrmann, der seit 1972 im Betrieb ist. Er zeigte einer Gruppe von Kindern, wie eine hochmoderne Stanze in Windeseile Löcher in dicke Bleche drückt. Herrmann: "Hier ist so viel investiert worden, da kann man nicht einfach dicht machen."

Viele Politiker nutzten die Gunst der Stunde für Gespräche, darunter Ministerpräsident Reinhard Höppner. Auch Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler (beide SPD) war vor Ort. Sie dankte allen, die im Aktionsbündnis Pro Ammendorf mitgeholfen hatten. Nun aber sei das Ziel erreicht und das Bündnis könne sich auflösen. Hoffentlich werde man es nie wieder benötigen.