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Giftige Gefahr am "Hufi" Giftige Gefahr am Hufeisensee in Halle: Wird das Schadstoffproblem von der Stadt verharmlost?

Von Dirk Skrzypczak 21.06.2018, 05:30
Die Liegewiesen sind beliebt. Und „Wasserratten“ schreckt das Badeverbot nicht ab - so sie denn die Warnschilder überhaupt wahrnehmen. 
Die Liegewiesen sind beliebt. Und „Wasserratten“ schreckt das Badeverbot nicht ab - so sie denn die Warnschilder überhaupt wahrnehmen.  Lutz Winkler

Halle (Saale) - 30.000 Quadratmeter, zehn große Hallen: Das alte Reichsbahn-Ausbesserungswerk (RAW) „Ernst Thälmann“ in der Karl-von-Thielen-Straße zählt zu Halles größten Industrieruinen.

Eisenbahnromantiker zieht es nach wie vor an diesen verlassenen Ort. Sie schwärmen in den baufälligen Gebäuden vom Maschinen- und Ölgeruch, der die Zeit bis heute überdauert. Doch unter dem 1910 erbauten Werk spielte sich jahrzehntelang ein Umweltdrama ab, mit dem Halles Osten bis heute kämpft. Fast ungehindert konnten Schadstoffe in das Erdreich eindringen.

Vom RAW transportiert der Grundwasserleiter einen Altlasten-Cocktail mit chlorierten Kohlenwasserstoffen zum Hufeisensee. Besonders gefährlich ist Vinylchlorid, das Krebs erzeugen kann. „Die Stadt weiß um die Gefahr, spielt das wahre Problem aber herunter. Vor allem tut sie zu wenig, um die Menschen aufzuklären und zu schützen“, sagt Umweltgutachter Peter Müller. Seinen Namen hat die MZ geändert. Müller fürchtet ansonsten Konsequenzen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch Kommunen, weil er als Nestbeschmutzer gelten könnte.

Altlasten: Stadt Halle steht in engem Kontakt zu Behörden

Halles Beigeordneter für Stadtentwicklung, Uwe Stäglin, weist die Kritik zurück: „Die Aussagen sind falsch. Das Problem ist bekannt. Die Stadt steht seit Jahren in engem Kontakt mit diversen Behörden, unter anderem mit dem Landesamt für Verbraucherschutz sowie dem Umweltbundesamt.“ Stäglin verweist auf Aussagen von Andreas Gries, Leiter der Gesundheitsabteilung im Umweltbundesamt.

An Donnerstag, den 21. Juni, lädt Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) um 19 Uhr alle Interessierten zum Zukunftsforum über die künftige Entwicklung des Hufeisensees ein. 

Ort ist die Konferenzzone im Medienhaus der Mitteldeutschen Zeitung in der Delitzscher Straße. Direkt vor der Redaktion hält die Straßenbahnlinie 7. Der OB will über den aktuellen Sachstand informieren und mit den Bürgern die Frage diskutieren, ob der Hufeisensee künftig stärker durch weitere Wassersportmöglichkeiten genutzt werden soll. Anfragen von potenziellen Investoren liegen der Stadtverwaltung vor. Derzeit ist das nur im Norden erlaubt. Er interessiere sich für das öffentliche Meinungsbild, so der OB.

2015 hatte er erklärt, „dass er das Badeverbot für den Hufeisensee für verantwortungsbewusst und als Vorsorge für gerechtfertigt“ halte. Außerdem, so Stäglin, kommuniziere die Stadt sehr deutlich, auch in den Gremien des Stadtrats.

Aber reicht das aus? Umweltgutachter Müller hat seine Zweifel. „Bei den Bürgern kommen die Warnungen nicht an. Viele glauben, dass das Badeverbot wie am Geiseltalsee etwas mit dem Bergbau zu tun hat und nicht mit Giftstoffen.“ Es sind übrigens zwei Schadstofffahnen, die zum Hufeisensee strömen. Die aus Richtung RAW fließt an der Liegewiese unterhalb des Fußballgolfplatzes in den See.

Die andere kommt von einem ehemaligen Chemiebetrieb in der Berliner Straße und erreicht den „Hufi“ am Nordostufer nahe des Pflegeheims „Pro Curand“. Vermischen sich die Schadstoffe mit dem Seewasser, ist ihre Konzentration unbedenklich. Allerdings treten die chlorierten Kohlenwasserstoffe just an der Liegewiese mit seinem Sandstrand offen zutage, wie Rinnen im Hang zeigen. „Hier ist Gefahr in Verzug, weil es zum direkten Hautkontakt kommen kann“, sagt der Umweltgutachter.

Warnungen kommen nicht an: Zu wenige Schilder?

Die Stadt will reagieren und in den kommenden Wochen die Liegebereiche so sichern, „dass Personen nicht mehr mit dem austretenden Grundwasser in Kontakt kommen können“, erklärt Stäglin. Die Messungen, die seit 2013 fortlaufend gemacht werden, würden schwankende Belastungswerte zeigen. Die Stadt habe ein modifiziertes Grund- und Oberflächenwassermonitoring für die Zustrombereiche in den Hufeisensee sowie eine Untersuchung der Bodenluft in Auftrag gegeben. So wolle man unter anderem die betroffenen Bereiche genau lokalisieren. Parallel erfolge eine tiefenorientierte Untersuchung des Seewassers.

Umweltgutachter Müller reicht das nicht aus. Er fordert unter anderem eine bessere Beschilderung. Tatsächlich findet sich im Bereich der Liegewiesen etwas abseits nur ein einziger Hinweis „Baden verboten“. Gerade an heißen Sommertagen verpufft die Warnung. „Stärkere Kontrollen wären wichtig. Ich habe selbst schon Kinder im akut gefährdeten Bereich aus dem See getragen.“ Das Schadstoffproblem werde den Hufeisensee jedenfalls noch zehn bis 15 Jahre belasten, erklärt der Experte. (mz)

Im Auftrag der Bahn wird das kontaminierte Grundwasser am alten Reichsbahn-Ausbesserungswerk seit Jahren von Schadstoffen gereinigt.
Im Auftrag der Bahn wird das kontaminierte Grundwasser am alten Reichsbahn-Ausbesserungswerk seit Jahren von Schadstoffen gereinigt.
Skrzypczak