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Geschichte des Halleschen Schlachthofs Geschichte des Halleschen Schlachthofs: Vom großen Versorger zum großen Ärgernis

Von Michael Falgowski 28.05.2015, 10:00
Der Verbindungsbau zwischen Schlachthallen und Kühlhaus ist eines der beeindruckenden denkmalgeschützten Gebäude.
Der Verbindungsbau zwischen Schlachthallen und Kühlhaus ist eines der beeindruckenden denkmalgeschützten Gebäude. Archiv/Günter Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Endlich soll Halles größtes städtebauliches Ärgernis beseitigt werden: In einem von der Kommune angeschobenen Zwangsversteigerungsverfahren soll am Amtsgericht Halle nun für den verfallenen „Bauch von Halle“, den große Vieh- und Schlachthof, ein neuer Eigentümer gefunden werden. Wenn alles sehr gut läuft, könnte das Verfahren in einem Versteigerungstermin noch in diesem Jahr gipfeln. Zumindest verspricht dies nach Jahren des Stillstandes wieder eine Perspektive. Und damit eines Areals, das seit 25 Jahren verfällt. Immer wieder brannte es in den vergangenen Jahren auf dem kaum zu sichernden Gelände. In den letzten Wochen ist es durch zwei Großbrände erneut in den Blick der Öffentlichkeit gerückt.

Das 4,8 Hektar große Areal an der Freiimfelder Straße ist das heute verfallende Erbe eines dynamischen Aufbruchs, als die Schlote in Halle noch rauchten, sich in gerade einmal nur 100 Jahren die Bevölkerung mehr als versechsfachte - bis auf 200.000 Einwohner im Jahr 1930. All dieses Menschen mussten versorgt werden. Deshalb wurde 1893 auf dem Gelände des alten Rittergutes Freiimfelde Halles erstes Schlachthaus mit Viehhof eröffnet. Der Viehhof bestand aus vier massiven Markthallen für „Großvieh, Kleinvieh, Landschweine und Schweine aus Österreich-Ungarn“, die insgesamt etwa 2.000 Stück Vieh fassten, wie es in der Erklärung des Magistrats zur Eröffnung heißt. Außerdem entstanden gewölbte Stallungen.

1.000 Mitarbeiter an Schlachttagen beschäftigt

Hintergrund dieser städtischen Gründung waren die Schlachtvorschriften in Preußen von 1868. Erst durch den Schlachthof mit eigenem Eisenbahnanschluss konnten die verbotene Privatschlachtung in der Stadt durchgesetzt und die Bevölkerung der Großstadt versorgt werden. Außerdem dämmte der Bau den Viehtrieb durch die Stadt ein und ermöglichte die Überwachung der Hygiene von Fleischproduktion und -handel. Damals wurden jährlich 8.000 Rinder, 15.500 Kälber, 15.500 Schweine und 800 Pferde zur Schlachtbank geführt, wie es in der vom Kunsthistoriker Dieter Dolgner herausgegebenen Publikation der „Freunde der Bau und Kunstdenkmale Sachsen-Anhalts“ über die historischen Industriebauten Halles heißt. In den 1930er Jahren lieferte das Unternehmen aus der Eisfabrik des Maschinenhauses zudem bis 2.000 Zentner Eis. An Schlachttagen - zwei Tage in der Woche - waren bis 1.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Auf Seite 2 lesen Sie, warum mit dem Ende der DDR auch das Ende des Schlachthofs kam und wie die Zukunft des Geländes aussieht.

Mit der DDR starb auch der Schlachthof

Wenngleich die Gebäude schon in der DDR zu verfallen begannen, bedeutete erst das Ende der Republik auch das Ende des Schlachthofes. „Der Handel nahm nur noch zögerlich die Waren ab, da westdeutsches Fleisch von den Märkten bevorzugt wurde. Dringende Investitionen bleiben aus“, heißt es in der Broschüre. Im August 1991 schließlich verkaufte die Treuhand den Schlachthof an ein Essener Unternehmen. Der Käufer, der im Namen dieser Firma handelte, hatte bereits in Halle die Fleischwaren Limes GmbH gegründet und zunächst 1350 Arbeitskräfte übernommen. 1992 wurde noch Wurst produziert, aber nicht mehr geschlachtet. Die Treuhand verlangte 100 Arbeitsplätze. Auf dem Schlachthof sollte ein Frischemarkt am Bahnhof entstehen, doch der Kaufpreis wurde nie überwiesen. Wenig später war Schluss.

Statt Supermarkt nur Brände

Seither wachsen an der Freiimfelder Straße nur noch die Bäume. Und immer wieder brennt überall herumliegender Müll. 1996 wurde das Gelände nach Insolvenz des Käufers versteigert und von einer Firma aus Dortmund gekauft, die einen Supermarkt bauen wollte. Doch auch dies scheiterte, vor allem an den Altschulden. Später tauchte die Idee auf, auf dem Gelände das Justizzentrum zu bauen, das später am Thüringer Bahnhof entstanden ist.

Grundstück mit vier Millionen Euro Schulden belastet

Und nun eine weitere Zwangsversteigerung. 1996 wurden acht Millionen Mark gezahlt. Der geschätzte Verkehrswert mitsamt Gebäuden betrug zehn Millionen. Damals! Heute dürfte er weit darunter liegen. Vor allem wegen der Zustandes der Gebäude und der erwarteten gewaltigen Kosten der Altlastenbeseitigung. Noch immer ist das Grundstück mit vier Millionen Euro Schulden belastet. Der letzte Eigentümer ist aus dem Handelsregister gelöscht. Die Stadt als einer der Gläubiger fordert einige Hunderttausend Euro Grundsteuer. Niemand rechnet ernsthaft damit, dass man das Geld nach einer Zwangsversteigerung bekommt. Dennoch will man das Verfahren anschieben - und wieder bezahlen. Interessenten für das Areal gebe es immer wieder, so die Verwaltung. (mz)