Gelände der Uni-Bibliothek Gelände der Uni-Bibliothek: Im Zentrum von Halle lebt ein Reh

Halle (Saale) - „Ein Reh! Ein Reh, ein ... Regenwurm!“ Erstaunliche Entdeckungen mitten in der Stadt oder in der Region stehen in Sommerlochzeiten unter dem Generalverdacht, dass Nessie und die Baggersee-Krokodile Inspirationshilfe geleistet haben könnten. Dagegen ist das, was einzelne Hallenser dieser Tage im Zentrum Halles gesehen haben, über jeden Zweifel erhaben: Ein vom lärmenden Getriebe der Großstadt völlig unbeeindrucktes, friedlich grasendes Reh! Und ein Reh zudem, dessen tatsächliche Anwesenheit von keinem Geringeren als Halles einstigem Stadtparlamentsvorsteher beglaubigt ist. Denn Julius Brockmann hat das Tier eigenhändig fotografiert - und das sogar mehrmals!
Mit der Kamera auf Pirsch
Seit inzwischen fast schon drei Wochen geht der einstige Kommunalpolitiker quasi täglich mit seiner Kamera auf die Pirsch, um das Reh mal wieder auf frischem Gras zu erwischen - nämlich auf dem weitläufigen Gelände der Uni-Bibliothek in der August-Bebel-Straße. Und damit in unmittelbarer Nähe des neuen Geisteswissenschaftlichen Zentrums am Steintor. Also ein Bambi mit quasi instinktiver Affinität zur Uni?
Dafür spricht, dass es an der Südseite des neuen Campus mal die Uni-Tierklinik gab. Und dass es das Haustiermuseum dort immer noch gibt. Grund genug etwa, sich als Tier in dieser Nachbarschaft richtig heimisch oder sogar pudelwohl zu fühlen?
Für den Reh-Beobachter Justus Brockmann stellen sich ganz andere Fragen. Zum Beispiel: Hat das Reh - das wohl eine Ricke ist - in diesen heißen Tagen genügend Wasser? Und natürlich die Frage, was es sonst auf sich hat mit diesem offenkundig weiblichen Wildtier? Seine anfängliche Scheu habe es inzwischen abgelegt und komme relativ nahe heran, so Brockmann, der von Beruf Arzt ist - Frauenarzt.
Und wie konnte es überhaupt bis hierhin kommen? „Der Sprung übern Zaun war sicherlich nicht das Problem“, meint Justus Brockmann. Und die Anreise? „Am ehesten wohl über die Peißnitz“, so tippt der Entdecker dieses „sprungstarken“ Halle-Rehs. Dabei hätte das Tier aber doch einen ziemlich langen Weg durch sehr belebte und befahrene Straßen zurücklegen müssen. (Wenn man davon ausgeht, dass es auf die Nutzung der Straßenbahn verzichtet hat.)
"Der Straßenverkehr ist für so ein Reh ein Problem"
Einer, der eher wissen dürfte, wie ausgerechnet ein Reh es bis ins Herz der Großstadt geschafft hat, ist Halles neuer Zoo-Direktor Dennis Müller. Denn der ist von Haus aus Tierarzt und Waldwild-Experte. „Halle ist ja doch sehr grün“, sagt Müller mit Blick auf die Reh-Route - und macht sich kaum Sorgen darüber, wie es so einem Tier hier nun an der Uni ergehen könnte. „Das Futterangebot an Laub und Büschen dürfte in dem Garten gut sein, und zum trinken kann das Reh auch an die Saale gehen“ - so der Zoo-Chef. Brusthohe Zäune seien für die Ricke beim Ortswechsel sowieso kein Hindernis, meint auch er: „Nur der Straßenverkehr ist für so ein Reh ein Problem.“
Und wie nun weiter mit dem Uni-Bambi, Herr Müller? Hier einzugreifen, würde er nicht empfehlen, sagt er - und: Das Reh sollte bleiben dürfen, wenn es will. - Und wenn es nicht will? Dann, so Müller, „ist es sowieso ganz schnell wieder weg.“ (mz)
