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"Geisterfahrer" und ohne Blaulicht? "Geisterfahrer" und ohne Blaulicht?: Was die Polizei darf und was nicht

Von Oliver Müller-Lorey 12.01.2019, 06:30
Diese Szene hat der MZ-Leser festgehalten. Das Polizeiauto ist falsch herum durch die Straße gefahren.
Diese Szene hat der MZ-Leser festgehalten. Das Polizeiauto ist falsch herum durch die Straße gefahren. Ulrich Gschwind

Halle (Saale) - Wenn die Polizei mit Blaulicht und Martinshorn zu einem Einsatz fährt, heißt es: schnell die Straße freimachen, klar. Doch für Szenen, die MZ-Bürgerreporter Klaus Ulrich Gschwind häufig beobachtet, fehlt ihm jedes Verständnis.

Durch die Landsberger Straße, die eine Einbahnstraße ist, sollen schon mehrfach Polizeiautos ohne Blaulicht und Martinshorn - also nicht im Einsatz - entgegen der erlaubten Fahrtrichtung gefahren sein. Kraftfahrer dürfen zwar von der Delitzscher Straße kommend nach rechts in die Landsberger Straße abbiegen. In Richtung Delitzscher Straße dürfen jedoch nur Radfahrer fahren.

Bürgerreporter: „Im vergangenen halben Jahr hatte ich zwei Fast- und eine tatsächliche Kollision“

Weil Gschwind einen Stellplatz in der Landsberger Straße gemietet hat, sehe er häufig, wie gegen die Verkehrsregeln versoßen werde. „Im vergangenen halben Jahr hatte ich zwei Fast- und eine tatsächliche Kollision mit Verkehrsteilnehmern. Die beiden Fast-Kollisionen wurden durch zwei Polizeifahrzeuge ohne Blaulicht und Sirene verursacht, die tatsächliche mit einem Privatmann“, berichtet er. Gschwind findet, die Polizei würde mit ihrem Verhalten ein sehr schlechtes Vorbild abgeben und ihre Rechte zudem missbrauchen.

Denn in einem Fall habe ein Polizist, der nach seiner „Geisterfahrt“ auf die Delitzscher Straße abbiegen wollte, dafür das Blaulicht eingeschaltet. Sekunden nachdem ein Autofahrer ihn habe einfädeln lassen, habe er das Blaulicht wieder ausgeschaltet. Um einen akuten Einsatz könne es sich also nicht gehandelt haben, sagt Gschwind.

Gewerkschaft der Polizei: Beamte dürfen auch ohne Blaulicht und Martinshorn fahren

Ganz so einfach sei die Sache nicht, sagt Uwe Bachmann, Vorsitzender der sachsen-anhaltischen Gewerkschaft der Polizei. Man unterscheide zwischen Wege- und Sonderrecht. Wegerecht gelte bei Fahrten mit Blaulicht und Martinshorn, etwa bei Einsätzen, in der es um jede Sekunde geht. Aber Personen mit hoheitlichen Aufgaben, zu denen Polizisten und Feuerwehrleute zählen, dürften auch ohne Blaulicht mehr als andere Autofahrer - wenn sie im Einsatz seien.

„Das heißt, Polizisten dürfen auch ohne Blaulicht und Martinshorn im Halteverbot stehen oder entgegen der Einbahnstraße fahren“, so Bachmann. Das könne etwa bei einer Verkehrskontrolle der Fall sein, wenn das Auto dafür an den Straßenrand gestellt wird, Blaulicht aber nicht nötig sei. „Ob Sonder- oder Wegerecht in Anspruch genommen wird, ist immer eine Abwägungssache.“

Gewerkschaft: Polizisten werden die gesetzlichen Grundlagen in der Ausbildung vermittelt

Polizisten würden die gesetzlichen Grundlagen in der Ausbildung vermittelt bekommen und auch regelmäßig belehrt. Denn bei diesem Thema würde die Bevölkerung sehr sensibel reagieren, so Bachmann. „Sonderrechte dürfen natürlich nicht aus Spaß in Anspruch genommen werden.“

Im Fall der Landsberger Straße ist die Polizei der Beschwerde nachgegangen. „Der verantwortliche Fahrzeugführer des Streifenwagens wurde befragt“, sagt Polizeisprecherin Lisa Wirth. „In dem Sachverhalt sollte der Fahrer eines Fahrzeugs auf der Delitzscher Straße einer Verkehrskontrolle unterzogen werden.“ Für Gschwind klingt diese Erklärung nicht glaubhaft. „Wieso hat die Polizei nicht direkt das Blaulicht eingeschaltet? Ich konnte da keinen Einsatz erkennen“, sagt er. (mz)