Fußballfans in Thrombosestrümpfen
Halle/MZ. - Was nehmen sie für Medikamente? "Drei verschiedene Stimmungsaufheller", lacht Matthias Wonnay und nennt sie beim Namen: Ballack, Klose, Podolski. Kaum zu glauben: Aber der 36-Jährige und sein Bettnachbar Bernd Burau haben als Patienten im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara dem tristen Kranken-Dasein den Kampf angesagt.
"Wir machen Party, feiern die Fußball-EM", frohlockt Wonnay von der Station 3a der Klinik für Gefäßchirurgie. Die Krankenstube ist zur Fan-Meile umgestaltet. Lampions schmücken die Fenster, an der Wand hängen der EM-Spielplan, Mannschaftsposter, die Deutschlandfahne und Zeitungsausschnitte. Als Hingucker verbindet die Fans zudem eine schwarz-rot-gelbe Girlande, die von Bett-Galgen zu Bett-Galgen gespannt ist. "Patienten aus anderen Zimmern pilgern aus Neugier zu uns. Auch Schwestern, Putzfrauen und Ärzte bringen schon Kollegen mit, weil man so etwas hier sicher noch nicht erlebt hat", meint Wonnay, der wohl für jeden Spaß zu haben ist.
So hat der gelernte Buchbinder etwa aus Windeln neuartige EM-Kopfbedeckungen mit Deutschland-Emblem gebastelt. "Das ist der absolute Hit", sagt er und hat die Mütze schon auf dem Kopf. Nachdem zunächst alle auf der Station gelacht hätten, gab es für diesen Scherzartikel schon Interessenten, so der Hallenser, der letzte Woche aufs Zimmer kam und sich prompt mit seinem Bettnachbar verstand.
Bernd Burau, der hier nach einer OP seinen Darmkrebs besiegt hat, und Neuankömmling Wonnay, der eine Bauchfell-Entzündung auskuriert, sind keine Männer von Traurigkeit. Neben ihren Thrombosestrümpfen zogen sie sich EM-Trikots an, dekorierten ihr Zimmer um und fiebern seitdem abends bei den EM-Spielen im Fernsehen mit. "Obwohl das Lachen schmerzt, lachen wir. Und weil Jubeln noch nicht geht, pfeifen wir". Auch wenn sich das alles nach Remmidemmi im Krankenhaus anhöre: "Wir tanzen keinesfalls aus der Reihe", betont Burau. "Wir fragen immer bei den Schwestern und Ärzten nach, was erlaubt ist. Das Personal ist spitze und macht fast alles möglich", lobt der 53-jährige Berufskraftfahrer. Und so dürfen die fußballbegeisterten Patienten mit Zustimmung des Ärztlichen Direktors Walter Asperger pro EM-Spiel auch eine Flasche Bier genießen. "Aus ärztlicher Sicht ist es begrüßenswert, wenn Patienten solche Lebenslust und Fröhlichkeit zeigen. Gerade nach schweren Operationen beschleunige das den Genesungsprozess", sagt der 55-jährige Mediziner, der auch die guten Stimmung auf der Station lobt. Denn die wirke sich vorteilhaft auf andere Patienten aus.