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Für guten Start ins Leben Für guten Start ins Leben: Projekt "Pflegenest" gibt Heimkindern ein neues Zuhause

Von Silvia Zöller 10.03.2021, 06:30
Anna Manser von der Jugendwerkstatt in Halle spielt mit einem in Obhut genommenen Kind.
Anna Manser von der Jugendwerkstatt in Halle spielt mit einem in Obhut genommenen Kind. Silvio KIson

Halle (Saale) - Noch vor wenigen Monaten war die kleine Alina ein wildes Mädchen, das viel geschrien hat und aufgedreht war. Die Zweijährige hatte in ihrem kurzen Leben schon eine Menge mitmachen müssen: Zweimal wurde sie für jeweils längere Zeit vom Jugendamt aus ihrer Familie genommen und in Heimen in Obhut gegeben - zum ersten Mal im Alter von vier Monaten. In der Familie gab es große Probleme.

„Heute ist Alina viel entspannter. Sie macht große Fortschritte, auch beim Sprechen“, sagt Stefanie Müller. Die 46-Jährige ist gemeinsam mit ihrem Mann und ihren vier leiblichen Kindern seit November das „Pflegenest“ für das Mädchen:  Anders als bei der Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien hat die Hallesche Jugendwerkstatt Stefanie Müller als pädagogische Mitarbeiterin angestellt.

Neue Chance: Projekt „Pflegenest“ vermittelt Heimkinder in Halle an Familien

Für die Pflege des Mädchens erhält sie einen sozialversicherungspflichtigen Job bei der Jugendwerkstatt. Ein Kind zu betreuen, entspricht einer halben Stelle, zwei Kinder einer vollen. Und: Anders als in Pflegefamilien ist das „Pflegenest“ nicht nur auf Zeit angelegt, sondern dauerhaft. „Wir wollen dem Kind eine bessere Chance auf einen guten Start ins Leben geben“, sagt Stefanie Müller. Die gelernte Erzieherin, die für das Mädchen  ihren alten Job an den Nagel gehängt hat, war gleich Feuer und Flamme, als sie von dem Projekt gehört hatte.

Jedoch ist das Sorgerecht bei Geschwisterkindern von Alina noch nicht geklärt, weshalb aus Rücksicht auf die Zweijährige alle Namen in diesem Beitrag geändert sind. „Wir haben bereits fünf Kinder in ein Pflegenest vermittelt, drei sind in Anbahnung“, sagt Anna Manser, Geschäftsführerin der Halleschen Jugendwerkstatt. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Anfragen für die Vermittlung weiterer Heimkinder, doch noch zu wenig Interessenten.
Dabei werden keineswegs nur Erzieherinnen wie Stefanie Müller für die „Pflegenester“ gesucht.

Kind lebt bis zum 18. Lebensjahr in der Familie

„Wir suchen Menschen, die Platz in ihrem Herzen und in der Wohnung haben“, sagt Anna Manser. Einzige Voraussetzung für Bewerber ist, dass sie einen Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Unter den Eltern der bereits vermittelten Pflegenester seien auch zwei gleichgeschlechtliche Paar und eine Alleinerziehende.
Ebenfalls anders als bei Pflegeeltern ist das „Nest“ darauf angelegt, dass das Kind bis zum 18. Lebensjahr in der Familie lebt.

Ein Amtsvormund hat jedoch das Sorgerecht für das Kind, den Eltern werden aber wichtige Vollmachten wie etwa für Arztbesuche oder die Kitaanmeldung übertragen.
Die Jugendwerkstatt prüft gründlich, ob Familie und Kind zusammenpassen. „Die Mädchen und Jungen haben oft sehr komplexe Biografien“, sagt Manser.

Konstante Beratung: Seminare und regelmäßige Treffen der Pflegenest-Familien gehören dazu

Daher gibt es eine umfangreiche Anbahnung, bei dem sich die Pflegeeltern und das Kind kennenlernen, später auch einmal auf den Spielplatz gehen oder ein Wochenende gemeinsam verbringen. „Wir begleiten die Familien auch und geben ihnen die Sicherheit, dass sie nicht alleine sind“, sagt Anna Manser.

Auch Seminare und regelmäßige Treffen der Pflegenest-Familien gehören dazu. Wichtig sei vor allem für die „Nest“-Eltern zu akzeptieren, dass das Kind andere familiäre Wurzeln hat. Deshalb hat Stefanie Müller für Alina eine Collage mit Bildern ihrer Eltern und Geschwister gebastelt und diese über dem Kinderbett aufgehängt: „So sagen wir ihnen allen jeden Abend gemeinsam ,Gute Nacht’“, sagt sie.
Mehr Infos unter: [email protected]