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Früherer Waggonbau Ammendorf Früherer Waggonbau Ammendorf: Der Tüv setzt eine hallesche Tradition fort

Von MICHAEL FALGOWSKI 13.10.2015, 08:53
Uwe Rönsch am Tüv-Süd-Gleis der Prüfstelle für Schienenfahrzeuge, das mit Sensoren ausgerüstet ist.
Uwe Rönsch am Tüv-Süd-Gleis der Prüfstelle für Schienenfahrzeuge, das mit Sensoren ausgerüstet ist. FALGOWSKI Lizenz

HALLE (Saale) - „Eisenbahnstraße“ ist keine schlechte Adresse für eine Firma, die Schienenfahrzeuge und Oberleitungen vor der Zulassung technisch prüft. So wie die Tüv Süd Rail GmbH aus München. Deren Prüfstelle für Schienenfahrzeuge firmiert seit vergangenem Jahr unter der Adresse Eisenbahnstraße 3 in Halle-Ammendorf. Ein Ort hallescher Eisenbahngeschichte: Es ist das Gelände des früheren Waggonbaus Ammendorf. Das Unternehmen hatte einst bis zu 5 000 Beschäftigte. Nach der Wende übernahm Bombardier große Teile, 2005 aber wurde der Betrieb endgültig geschlossen. Heute setzt dort der Hersteller MSG die Ammendorfer Schienenfahrzeugbau-Tradition fort.

Auf eine hallesche Tradition kann sich auch die Tüv-Süd-Rail-Prüfstelle für Schienenfahrzeuge berufen. „Durch uns findet auch die Geschichte der Fahrzeugerprobung in Halle ihre Fortsetzung“, sagt Uwe Rönsch. Der Hallenser ist Leiter der Prüfstelle Schienenfahrzeuge und einer von 20 Mitarbeitern, die nun von Halle aus Prototypen von Schienenfahrzeugen und Bahntechnik überprüfen. Für Rönsch ist die Ansiedlung in Halle auch persönlich eine Rückkehr. In den 1980er Jahren hat er im RAW „Ernst Thälmann“ und in Halles Bahnbetriebswerk G Triebfahrzeugelektriker gelernt. Später hat der heute 52-Jährige ein Studium angeschlossen und war seit 1993 als Ingenieur im Institut für Eisenbahnwesen („Lok-Versuchslabor...“) in der Abteilung Streckenversuche tätig. Diese Abteilung hat in Halle unter anderem fünf für verschiedene Gebiete spezialisierte Messwagen betrieben, mit denen im Netz der Deutschen Reichsbahn, aber auch international Versuchsfahrten mit Schienenfahrzeugen aller Art unternommen wurden.

In einem Bremsen-Messwagen war der Ingenieur 1997 gerade auf einer Versuchsstrecke unterwegs, als der gesamte Prüf-Standort Halle geschlossen wurde. „Plötzlich kam ein Anruf: Fahrzeug abrüsten, Arbeiten einstellen. Das war schon ein Schock.“

Doch zumindest für den Messingenieur ging es weiter. Aus den ursprünglich rund 35 Mitarbeitern der Abteilung Streckenversuche haben Rönsch und ein Kollege im Joint Venture mit Unterstützung einer Münchener Firma eine neue Abteilung gegründet. „Wir haben unsere, von der Deutschen Bahn verschrottete Messtechnik übernommen. Und auch manches selbst gelötet“, so Rönsch.

Neustart in Delitzsch

Damals wurde als neuer Standort Delitzsch gewählt, da dort eine Fahrzeughalle der DB AG leerstand. „Wir waren auf der Basis der Möglichkeiten der Liberalisierung des Schienenverkehrs die erste wirklich unabhängige Prüfstelle für Schienenfahrzeuge überhaupt in Deutschland“, sagt Rönsch.

Die Abteilung Streckenversuche, seit 2008 Teil der Prüfstelle Schienenfahrzeuge der Tüv Süd Rail GmbH München, hat sich seither gut entwickelt. Die heute knapp 20 Mitarbeiter sind auf fahrtechnische und bremstechnische Prüfungen, Betriebsfestigkeitsmessungen sowie die aerodynamische Optimierung und Prüfung von Stromabnehmern spezialisiert. Kunden sind Schienenfahrzeughersteller weltweit. „Unsere Arbeit ist in viele täglich verkehrende Fahrzeuge vom ICE, über Lokomotiven und Triebzüge aber auch Güterwagen eingeflossen. Für die neue S-Bahnflotte der DB Regio haben wir die bremstechnischen Prüfungen für Hersteller Bombardier realisiert“, erzählt Rönsch. Für den Drehgestellhersteller ELH aus Queis haben die Mitarbeiter die fahrtechnischen Entwicklungs- und Zulassungsprüfungen erledigt.

Weil Delitzsch zu klein wurde, hat man als Ersatz das einstige Bombardierwerk in Ammendorf gefunden - mit direktem Anschluss an die ICE-Neubaustrecke. Auf dem Gelände wurde ein Gleisbogen mit Messtechnik ausgestattet, um etwa jene Kräfte zu messen, die bei einem Wagen oder einer Lok wirken. Auch Lager und Labor sind entstanden. Die Mitarbeiter sind aber auch auf Versuchsstrecken unterwegs.

Standort hat sich neu entwickelt

Das frühere Bombardier-Werk ist heute vor allem der Sitz von Halles Fahrzeughersteller MSG. Mit 40 Mitarbeitern hatte dessen Geschäftsführer Uwe Albrecht nach der Werksschließung eine Neuanfang gewagt. Heute sind es immerhin wieder rund 200 Mitarbeiter. „Ammendorf als Bahntechnikstandort hat sich neu entwickelt“, sagt Halle-Heimkehrer Uwe Rönsch. „So trifft der Tüv Süd auf Partner im Bahntechniksektor und leistet einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Standorts.“ (mz)