Kleinod in Halle Friedhof in Halle: Was den Stadtgottesacker auch in Europa einzigartig macht

Halle (Saale) - Still und versteckt liegt zwischen Leipziger Turm und Stadtpark ein Kleinod, das seinesgleichen sucht: der Stadtgottesacker. Er blickt auf viele Jahrhunderte zurück - inklusive vieler Jahre der Zerstörung und des Verfalls, aber auch der glücklichen Wiederauferstehung dank einer Bürgerinitiative, die sich ab 1985 für den Erhalt der nach italienischem Vorbild errichteten Anlage einsetzte - ebenso wie die ab 1990 als Verein eingetragene „Bauhütte Stadtgottesacker“.
Ihnen ist es zu verdanken, dass es dieses Meisterwerk der Renaissance, das in der Geschlossenheit seiner Anlage als einzigartig nördlich der Alpen gilt, heute überhaupt noch gibt.
Entstanden ist der Stadtgottesacker dank Kardinal Albrecht
Entstanden ist der Stadtgottesacker dank Kardinal Albrecht, der Halle zu seiner Residenz erhoben und verfügt hatte, dass sämtliche innerstädtischen Begräbnisstätten aufzulösen seien. Auf dem im Norden der Stadt gelegenen Martinsberg, wo bereits im 14. und 15. Jahrhundert rund um die dortige Kapelle die Toten der Pestepidemien bestattet wurden, sollte der neue Gottesacker entstehen. Die feierliche Weihe des Geländes fand am 8. August 1529 statt.
Die bisher für Massenbestattungen dienende Fläche wurde mit einer Mauer umgeben, an der ab 1557 in 30-jähriger Bauzeit 94 Schwibbögen eingesetzt wurden - nach dem Vorbild der italienischen Camposanto-Anlagen, speziell des Camposanto in Pisa. Baumeister war Nickel Hoffmann (um 1515 bis 1592), dessen Porträt sich innen am Torturm des Friedhofes findet. Er und der Münchner Steinmetz Thomas Rinckler (um 1520 bis 1571) fertigten die ersten Grabbögen selbst, später setzten geschulte Handwerker die Arbeiten fort.
Stadtgottesacker Halle: In den Arkaden befanden sich Grüfte
In den Arkaden befanden sich Grüfte, die mit kunstvoll geschmiedeten Eisen- oder Holzgittern abschlossen. Dahinter standen zunächst die Särge in den bis zu vier Meter tiefen Grüften sichtbar auf dem Boden. Doch die hygienischen Anforderungen des 19. Jahrhunderts machten es erforderlich, dass ab 1862 die meisten Grüfte mit Erde aufgefüllt wurden. Der Stadtgottesacker wurde vor allem für die städtische Oberschicht Halles zum bevorzugten Begräbnisort: Industrielle, Professoren, höhere Beamte und Offiziere.
Bei einem Spaziergang über den Gottesacker - übrigens zu jeder Jahreszeit zu empfehlen - finden sich an den Grabbögen die Namen bedeutender Persönlichkeiten: Jurist Christian Thomasius (Nr. 10), Weltumsegler Johann Reinhold Forster (61), Mediziner Friedrich Hoffmann (47) und die Eltern Georg Friedrich Händels (60) - oder auch der Bogen der Familie August Hermann Franckes (80/81).
Nach zwei Jahrzehnten umfangreicher Sanierung und Neugestaltung der Schwibbögen präsentiert sich der Stadtgottesacker nun in alter, neuer Schönheit. Nicht umsonst wurde er 2011 zu den drei schönsten Friedhöfen Deutschlands gewählt. (mz)