Franckesche Stiftungen in Halle Franckesche Stiftungen in Halle: Neues Seelsorge-Seminar als nächstes Schmuckstück

Halle (Saale) - Es liegt etwas abseits, aber es gehört zu den ganz besonderen Gebäuden - und das will was heißen auf dem mit besonderen Gebäuden ja nun überreich gesegneten Gelände der Franckeschen Stiftungen. Das Haus 51 war einst das Kinderkrankenhaus der Stiftungen. 1721 wurde es erbaut - wohlweislich mit etwas Abstand zu den anderen Gebäuden und als erstes Haus des Ensembles vollständig aus Stein errichtet.
Und wieder einmal nahmen die Stiftungen eine Vorreiterrolle ein: Der Mediziner und Waisenhausarzt Johann Juncker (1679-1759) nutzte das Kinderkrankenhaus nämlich auch zur systematischen Ausbildung von Medizinstudenten am Krankenbett. Diese Art des praktischen Unterrichts gab es bis dahin nur an den Universitäten im holländischen Leiden und in Wien.
Neue Bestimmung
Fast 300 Jahre später und nach zuletzt einer kurzen Zeit des Leerstands hat das Haus eine neue Bestimmung erhalten: Nach der Bundeskulturstiftung beherbergt es nun das Seelsorge-Seminar der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Pfarrer sowie alle, die haupt- oder nebenamtlich in Gemeinden, Krankenhäusern, diakonischen Einrichtungen oder anderswo seelsorgerisch tätig sind, können sich dort in Kursen auf ihren Dienst vorbereiten lassen und während dieser Zeit dort auch wohnen.
Gleichzeitig gibt die EKM ihre bislang zwei Seminar-Standorte auf: in Halle bei der Diakonie in der Lafontainestraße und in Weimar. Leiterinnen des Seminars sind die Pastorin Theresa Rinecker und die Provinzialpfarrerin Hildegard Hamdorf-Ruddies. Nun luden sie erstmals zur Erkundung des neuen Hauses ein. Auch Landesbischöfin Ilse Junkermann kam zur Erteilung des Segens und befand: „Es ist ganz wunderbar geworden.“
Das ist es, in der Tat. Dass auch diesmal mit größter Liebe zum Detail gearbeitet wurde, muss man kaum betonen. So finden sich am und im Gebäude Original-Dielungen, Türen und sogar ein erhaltenes Fenster samt Glasscheiben aus dem 18. Jahrhundert. Mehr als 2,1 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet. Der Großteil, fast 700.000 Euro, kam vom Kultusministerium, der Bund gab rund 630 000 Euro dazu, die evangelische Kirche und die Franckeschen Stiftungen jeweils rund 400 000 Euro. Die offizielle Schlüsselübergabe im Beisein der Geldgeber wird es Ende März geben.
Stiftungssprecherin Kerstin Heldt findet, mit der neuen Nutzung werde der christliche Gedanke der Stiftungen aufs Schönste gestärkt. Tatsächlich lässt sich der große inhaltliche Bogen wohl noch weiter spannen. Im Haus 51 wurden nämlich nicht nur die kranken Waisenhaus-Bewohner gepflegt, sondern auch Armensprechstunden abgehalten - gedacht, um auch den sozial benachteiligten Teil der Bevölkerung an der medizinischen Versorgung teilhaben zu lassen. Man darf davon ausgehen, dass dies seinerzeit auch mit seelsorgerischem Gedanken geschah.
Kernbau von 1721
Verantwortlich für die Ausführung waren der Architekt Thomas Zaglmaier und der Bauingenieur Manfred Arlt. Eine ebenso reizvolles wie herausforderndes Projekt sei das gewesen, sagt Zaglmaier. Neben dem Kernbau von 1721 gibt es an der West- und der Ostseite zwei Anbauten, die im 19. Jahrhundert entstanden sind. Auch dort lassen sich Spuren Franckescher Fortschrittlichkeit finden: ein Wassertretbecken. Es ist zwar nicht mehr erhalten, aber sein einstiger Standort ist durch andersfarbige Steine im Boden gekennzeichnet. (mz)
