Flüchtlinge privat in Halle aufgenommen Flüchtlinge privat in Halle aufgenommen: Not trotz großer Hilfe

Halle (Saale) - Die Bilder vom Bürgerkrieg in Syrien sind in der Familie von Ronn Müller jeden Tag nicht nur im Fernsehen präsent: Der Hallenser lebt zurzeit mit fünf Flüchtlingen aus dem arabischen Land in seiner Dreizimmer-Wohnung zusammen, den Schwestern seiner syrischstämmigen Ehefrau, deren Kindern und einem Schwager. Mit seiner Frau und den drei Kindern macht das zehn Personen. „Bei jedem Feuerwerk, das in Halle gezündet wird, bekommen die Kinder Angst“, sagt der 35-Jährige. Die Angst vor den Bomben kommt dann wieder hoch, die den Alltag im umkämpften Aleppo bestimmt haben.
Eine humanitäre Katastrophe
Normales Leben, so berichtet die Schwägerin Safa, sei dort nicht mehr möglich: „Wasser- und Strom-Versorgung sind dort komplett unterbrochen; die Essensversorgung ist fatal, ein Kilo Reis kostet beispielsweise 15 Euro. Es ist eine humanitäre Katastrophe.“ Ihr Sohn Rabie lebte drei Jahre lang isoliert in einem Zimmer, um ihn vor den ständigen Bombenangriffen zu schützen.
Deshalb ist Ronn Müller, der als wissenschaftlicher Assistent an der Uni Halle arbeitet, nun glücklich, dass die Familienangehörigen jetzt in Halle in Sicherheit sind. Der Weg dahin war nicht einfach: Nur über sogenannte Verpflichtungserklärungen, bei denen Bürgen alle Kosten für die Flüchtlinge übernehmen, war die Ausreise überhaupt möglich. „Das ist zurzeit der einzige Weg, Menschen aus Syrien legal nach Deutschland zu holen“, erklärt er.
Momentan leben 1.282 Flüchtlinge aus Syrien in Halle. Davon sind 149 mit einer sogenannten Verpflichtungserklärung eines Bürgen nach Deutschland gekommen - nicht der Staat, sondern der Bürge übernimmt alle Kosten für die Person. 50 weitere solcher Anträge sind zudem in der Stadtverwaltung zurzeit in Bearbeitung.
Im September 2013 war eine neunköpfige Familie aus Syrien die erste, die über ein Flüchtlings-Kontingent in Halle aufgenommen wurde. Damals hatte sich Sachsen-Anhalt verpflichtet, Menschen aus diesem bundesweiten Kontingent von 5.000 eine Unterkunft zu stellen.
Bei Fragen zu Integrationsangeboten, Behördenproblemen oder zur Arbeitssuche können Beratungsstellen der Caritas, der Stiftung evangelische Jugendhilfe, der Paritätische und das Kooperatationsprojekt des Kirchenkreises und der Stadt „Engagiert für Flüchtlinge“ weiterhelfen.
Alle Infos: www.integration.halle.de
Deswegen hat er Freunde gebeten, eine Bürgschaft zu übernehmen - und ihnen versprochen, dass ihnen dadurch keine Kosten entstehen. Ronn Müller wollte alleine für die Verwandten aufkommen, auch wenn er als Alleinverdiener seine eigene fünfköpfige Familie versorgt. Dass diese Rechnung nicht aufgehen konnte, ist Ronn Müller zwar klar gewesen: „Ich habe mich sehenden Auges in die Situation hinein manövriert“, sagt er - doch seine Angehörigen aus dem Kriegsgebiet herauszuholen war ihm wichtiger. Einige Freunde und Kollegen unterstützen ihn mit kleinen Geldspenden, auch die Caritas griff den Flüchtlingen mit einer einmaligen Spende unter die Arme - ansonsten seien die Töpfe leer.
Unerwartete Hürden
„Der humanitäre Aspekt der Flüchtlingshilfe für Syrien wird auf Privatpersonen abgewälzt“, sagt er. Nicht die fehlende staatliche Unterstützung, die er ja von Anfang an nicht einkalkuliert hat, sei das Problem. Sondern die unerwarteten Hürden, die sich nun auftun: Weil das Geld fehlt, sind die Flüchtlinge gezwungen, isoliert in der Wohnung von Müller zu leben. Für Sprachkurse sei kein Geld da, ebenso nicht für den Kindergartenbesuch. Auch eine Arbeit kann der Schwager derzeit nicht aufnehmen, da ihn keine Krankenkasse als freiwilliges Mitglied aufnimmt - was aber eine Voraussetzung für eine Arbeitsstelle ist. Sein Fazit: Solche Familienzuführungen von Flüchtlingen aus Krisengebieten sind nur etwas für Wohlhabende.
Beratung und Hilfe hat sich Ronn Müller schon an vielen Stellen gesucht. Unter anderem auch bei der Caritas. „Wir haben gestiegene Zahlen von ratsuchenden Flüchtlingen aus Syrien“, sagt Carla Wilde von der Caritas-Migrationsberatung. Möglich sei es, auch für Flüchtlinge mit Verpflichtungserklärung Anträge auf Hilfen bei der Stiftung Flüchtlingshilfe Sachsen-Anhalt zu stellen - hierüber wurde den Angehörigen von Ronn Müller ein Einmalbeitrag bewilligt. Doch auch hier füllen sich die Töpfe ausschließlich über Spenden und sind daher begrenzt. Und so sucht Ronn Müller weiter nach Lösungen. (mz)